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Berlin: Sitzblockade im Szene-Kiez

In Friedrichshain sollen Kneipen ab 20 Uhr jeweils nur noch sechs Gäste im Freien bewirten dürfen. Anwohner hatten mit Klage gedroht

Sollte dies der letzte Stand sein und das Bezirksamt Friedrichshain/Kreuzberg die eigenen Ankündigungen durchsetzen, dann wird die Karawane demnächst weiterziehen. Dann werden sich die Kneipengänger nicht mehr in der Simon-Dach- Straße und Umgebung treffen, sondern anderswo. Da, wo man noch draußen sitzen kann, wenn das Wetter schön ist.

In den vergangenen Tagen erhielten die meisten Wirte der Kneipenmeile um den Boxhagener Platz Post vom Bezirksamt. Darin heißt es, dass jede Kneipe künftig ab 20 Uhr nur noch sechs Sitzplätze unter freiem Himmel betreiben darf. Egal, ob es zuvor 20 waren oder 200. Ab 22 Uhr müsse dann ganz Schluss sein mit dem Freilufttrinken. Damit ziehe man die Konsequenzen aus „aktuellen Lärmmessungen des Umweltamtes“, es gehe um den „Schutz der Anwohner vor unzumutbaren Lärmbelästigungen“.

Einige Kneipen erhielten gar nicht erst die Ankündigung, dass sie demnächst ihre Außenplätze am Abend reduzieren müssten. Auf ihrer neuen „Sondernutzungserlaubnis“, die besagt, welcher Anteil des Bürgersteiges für die Tische genutzt werden darf und wie viel das kostet, heißt es lapidar: soundso viele „Sitzplätze bis 20 Uhr und 6 Sitzplätze bis 22 Uhr. Hochachtungsvoll. Im Auftrag.“

„Sollten die Ernst machen“, so eine Wirtin, dann kann ich im Sommer zwei Drittel meines Personals nach Hause schicken.“ Andere gehen davon aus, dass sie ihre Betriebe ganz zumachen müssten. Das große Trinken beginnt hier erst um 20 Uhr, und dass ein Gast, der draußen sitzen möchte, sich in der Simon-Dach-Straße nach drinnen begeben würde, nur weil das hier mal eine hippe Gegend war, das glaubt niemand im Ernst.

Auslöser der Neuregelung war ein förmlicher Antrag der Anwohnerinitiative „Die Aufgeweckten“ an das Bezirksamt. Gefordert war eine „flächendeckende Lösung“, die die Nachtruhe ab 22 Uhr in den Häusern der Gegend garantieren sollte (seit zwei Jahren mussten allein die Kneipen in der Simon-Dach-Straße um 23 Uhr die Tische hineinholen, die umliegenden durften länger draußen bedienen). Die schlaflosen Mieter hatten ein anwaltliches Gutachten eingeholt und drohten mit einer Klage gegen den Bezirk vorm Verwaltungsgericht.

Dass der Bezirk so radikal reagieren würde, hat niemand erwartet. Ein Sprecher der Bürgerinitiative geht davon aus, dass es kaum bei der Sechs-Stühle-Regelung bleiben wird. „Das war auch nicht unsere Forderung.“

Die Wirte haben am Freitag einen eigenen Zusammenschluss gegründet: „Wir(te) für Friedrichshain“. Nun überlegen sie gemeinsam, wie sie sich zur Wehr setzen können.

Tatsächlich gibt es eine so harte Regelung nirgends in Berlin. Am Kollwitzplatz wird bis 23 bzw. 24 Uhr auch draußen bedient, in der Oranienburger Straße und Umgebung bis in die Puppen. Für seine liberale Wirtshauskultur ist Berlin bekannt. Bisher. dae

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