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So geht das. Hocker in die Hand und durch die Luft hüpfen.

© Björn Kietzmann

Skaten ohne Rollen: Völlig vom Hocker

Ein Berliner hat eine ulkige Sportart erfunden und lädt zur Weltmeisterschaft nach Weißensee

Das Ding sieht aus wie eine überdimensionale Garnspule ohne Garn. Stephan Landschütz packt den oberen Rand des Dings mit beiden Händen. Und macht eine Art halben Handstand mit geknickten Armen und Beinen darauf. Springt dann drüber, dreht es dabei mit dem Fuß um – und landet im Sitzen. Schließlich ist das Ding ein Hocker. Und „hockern“ nennt Landschütz das, was er da macht: „Ein Spaßsport, bei dem es um Tricks geht. Und Trick Nummer eins ist Sitzen“, sagt der schlaksige 31-Jährige mit den orange gefärbten Haaren. Auf den ersten Blick wirkt die Sportart wie Skateboardfahren ohne Rollen mit ein bisschen Breakdance und Jonglage. Manchmal hockt man aber einfach nur auf dem Ding herum. „Man muss kein Athlet sein, um Hockern zu lernen.“ Herumhocken ist ja eigentlich das Gegenteil von Sport. Nicht umsonst spricht man vom Stubenhocker. Doch Stephan Landschütz hat beides kombiniert und einen „Sporthocker“ patentieren lassen. „Freunde von mir haben das schon vor mir mit normalen Möbeln gemacht. Ich habe dann für meine Diplomarbeit aus dieser Idee ein richtiges serienreifes Sportgerät entwickelt“, sagt Landschütz, der jetzt ein Diplom in Produktdesign hat. In Kiel hat er mit seinem Bruder Michael, ebenfalls Produktdesigner, nach dem Studium eine Firma gegründet. Seit 2009 leben und hockern die beiden gemeinsam in Berlin und vertreiben ihre Sportgeräte von einem Laden in Friedrichshain aus in die ganze Welt. Rund hundert Euro kostet die Garnspule, die schon mehrere Designpreise gewonnen hat und gerade für den Deutschen Designpreis nominiert ist, der im Herbst vergeben wird. „In Japan ist ein Typ inzwischen richtig gut und stellt wie wir Filme von seinen eigenen Tricks auf Youtube. Das machen viele, so können wir sehen, wie sich die Szene vergrößert. In Bangkok gibt es eine tolle Crew.“ Aber „Weltmeister“ ist immer noch er. „Dreifacher“, sagt Landschütz stolz. Auch wenn es noch keine echte Weltmeisterschaft der Hockerer gibt. „Dafür braucht man mindestens acht Nationen. Die haben wir noch nicht zusammen bekommen.“ Am Sonnabend findet aber so etwas ähnliches wie eine Weltmeisterschaft statt: „King of Hock – die besten Hockerer der Welt hockern um die Krone“ heißt die Veranstaltung im Kulturzentrum Hof 23 in Pankow, die die Brüder Landschütz organisiert haben. Wenn um 22 Uhr der beste Hockerer gekürt ist, wird getanzt – mit und ohne Hocker, beim „Turntable Hockern“ zu einer Musikmischung aus „Balkan, Gypsy, Chanson, Swing, Dubstep und Drum’n'Bass“. Vor dem großen Turnier muss noch ein bisschen trainiert werden. Stephan Landschütz steht gerade im Blankenstein Park in Friedrichshain, wo er und sein Bruder jeden Freitag bei gutem Wetter mit Jugendlichen trainieren. Aus einem Gettoblaster kommt Musik. Ein paar Jungs üben Handstand auf der Garnspule. Michael Landschütz balanciert gerade einen Hocker aufrecht auf dem Handrücken, lässt ihn dann zu Boden fallen, so dass er dort ebenso aufrecht stehen bleibt und springt im selben Moment auf die „Sitzfläche“. „Yeah, nice one“, ruft Stephan Landschütz zu seinem Bruder hinüber: „Aber tu dir nicht weh.“. Ein Mädchen hat ihren Hocker auf ein Skateboard gestellt und rollt im Sitzen umher. Johanne ist 15 und hockert seit zwei Jahren. Sie ist gerade von einem Auslandsjahr in Australien zurück, den Hocker hatte sie mitgenommen – und ist so oft mit Australiern ins Gespräch gekommen: „Viele wollte wissen, was das ist.“ Sie zeigte ihnen, was man damit machen kann. „Ich finde Hockern toll, weil das eine Mischung aus vielen verschiedenen Sportarten ist“, sagt sie und rollt weiter.

Stephan Landschütz wirbelt den Hocker durch die Luft. Schließlich schwingt er ihn mit ausholenden Armbewegungen um sich herum. „Diese letzte Übung ist wie Physiotherapie“, erklärt er. „Sehr gesund. Anders als Skateboarden geht Hockern auch nicht auf die Gelenke.“ Noch so ein Gegensatz – gesund ist schließlich nicht unbedingt cool. Und cool wollen die Hockerer eigentlich schon sein. „Ich komme vom Skaten, Snowboarden und surfen“, sagt Landschütz lässig. Er hat große Plänen für "seinen" Sport: „Ich hoffe, dass der Sporthocker irgendwann genauso ein klassisches, bekanntes Sportgerät wird wie Fahrrad, Ball oder Skateboard wird.“ Wenn man den Hocker einfach als Möbel benutzt, findet Landschütz das aber auch in Ordnung: „Ein Kunde hat gesagt: Das Ding sieht arschgeil aus. Da stelle ich meine Whiskeyflasche drauf.“

„King of Hock“, Hof 23, Langhansstraße 23, Weißensee, Sonnabend ab 14 Uhr, ab 22 Uhr "Turntable Hockern" für alle, Eintritt 2,50–5 Euro, Infos: www.sporthocker.com

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