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Berlin: Skrupellos

An fünf Mordfällen zeigt ein Ex-Polizist, wie dünn die Grenze zum Bösen ist

Wer Mordfälle aufklärt, könnte die Berliner Bevölkerung für eine Ansammlung von Freaks halten. Fünf Geschichten aus einem langen Polizistenleben reichen, um diesen Eindruck zu verfestigen. Dabei hat das Berlin der Jahre 1968 bis 1999 nun wirklich nicht viel mit São Paulo zu tun – die Stadt ist doch keine Mördermetropole. Dass man sich als Polizist trotzdem manchmal fühlen könnte, als lebe man in ziemlich irren Zusammenhängen, kommt wohl von der Nähe zwischen dem Normalen und dem Bösen, von der Leichtigkeit, mit der ein brutales Verbrechen ganz normale Leben zerstören kann.

Darin liegt die Faszination der fünf Fälle, in denen es um Irre und Berufskriminelle geht, um Triebtäter und junge Frauen auf Abenteuersuche. Bernd Udo Schwenzfeier, Berliner Kriminalhauptkommissar im Ruhestand, nimmt sich Zeit und Raum, um diese Geschichten von der schmalen Grenze zwischen Normalleben und Horror zu beschreiben. Da bleibt ein Rentner etwas länger als geplant in seiner Stammkneipe. Als er nach Hause kommt, liegt seine Frau erschlagen im Flur. Da ist eine junge Frau intensiv und abenteuersüchtig im Berliner Nachtleben der etwas derberen Art unterwegs und gerät an den falschen Mann. Da streiten sich ein Türke und ein eingeborener Berliner, beide von Beruf Rauschgifthändler. Der eine packt den anderen bei der Ehre – und dieser schießt ihn ab, ohne auch nur die niedrigste Hemmschwelle überwinden zu müssen.

Der Fall hat dem Verlag einigen Ärger eingebracht. Bernd Udo Schwenzfeier verfremdete zwar die Namen, doch der Täter sieht einer Verlagssprecherin zufolge seine Persönlichkeitsrechte verletzt. Der Fall macht eines besonders deutlich: Es passiert zwar nicht oft, dass in Berlin richtig scharf geschossen wird – aber es gibt Leute, denen völlig gleichgültig ist, wen sie dann alles niedermachen. Autor Schwenzfeier beschreibt anschaulich, dass man als Zeuge solch einer Schießerei den Eindruck hat, das Leben sei einem zum zweiten Mal geschenkt worden. Er beschreibt auch ebenso sachlich wie trocken, warum manche Täter so brutal und andere so irre geworden sind, wie sie dann vor den Richtern stehen. Jede literarische Ambition ist dem Autor allerdings fremd, auch als Schriftsteller schreibt er stets in bestem Polizistendeutsch: „Am 1. September wurde von Mitarbeitern der PTU die vermutliche Tatwohnung in der Meraner Str. 38 aufgesucht und erneut einer gründlichen Spurensuche unterzogen.“

Nicht selten kommt der Text etwas schwergängig daher. Aber vielleicht brauchen Polizisten diese nicht gerade gefühlsechte Trocken-Prosa – als Schutz für die Seele.

— Bernd Udo Schwenzfeier: Einladung zum Mord. Authentische Kriminalfälle. Militzke Verlag, Leipzig. 208 Seiten, 14,90 Euro.

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