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Berlin: Slalomlauf zwischen Käfigen: Kunst gegen politische und religiöse Unfreiheit

An dieser Kunst kann niemand vorbei. Entlang der Karl-Liebknecht-Straße, auf dem Platz vor der Marien-Kirche, zwingt eine versetzt aufgestellte Skulpturengruppe die Passanten zu einem Slalomlauf.

An dieser Kunst kann niemand vorbei. Entlang der Karl-Liebknecht-Straße, auf dem Platz vor der Marien-Kirche, zwingt eine versetzt aufgestellte Skulpturengruppe die Passanten zu einem Slalomlauf. Der polnische Installationskünstler Jerzy Kope¿c hat vor der Kulisse eines dreiteiligen, zehn Meter langen erotisch-dämonischen Schlachtengemäldes "Käfige" aufgestellt. Diese dreidimensionalen Gebilde aus Holzrahmen und bemalter Leinwand sind von elenden Gestalten bewohnt. "Das Schema, das uns vorschreibt, wie wir zu leben haben, ist der Käfig", erklärt Kope¿c seinen Beitrag zur Polnischen Woche, die am Montagabend eröffnet wurde.

Politische und religiöse Unfreiheit, Grenzen, die sich die Menschen selber setzen, haben Kope¿c seit Mitte der 80er Jahre zu seinen Werken inspiriert. Nachdem der heute 41-Jährige während des Kriegsrechts an der Posener Kunsthochschule studiert hatte, konnte er 1988 dort zum ersten Mal eines seiner expressiven Monumentalgemälde unter freiem Himmel ausstellen. Zwei Tage lang bedeckte das Ölbild mit den symbolträchtigen Riesenaugen und den provokanten nackten Frauenkörpern die Westfassade der historischen Militärbibliothek. Dann ließ es der vorerst letzte kommunistische Bürgermeister abnehmen.

In Berlin sind die monumentalen Leinwand-Plastiken noch bis zum 21. Mai der Straße, dem Wetter, und spürbar den Passanten ausgeliefert. Neugierige legen ihre Hände auf die von der Sonne erwärmte Leinwand, befühlen die dick aufgetragene Ölfarbe. Sie betasten die plastischen schwarz-grauen Köpfe, die aus den Stockbetten der "Baracke" schauen. "Anfassen erlaubt", sagt Jerzy Kopec gelassen.

Auch die Wände von Galerien und Alarmanlagen in Museen empfindet er als "Käfige", die die Menschen von der Kunst fernhalten. Berlin, schwärmt Kopec, sei ein besserer Ort für die Kunst als Posen. Die Hauptstadt der Wojewodschaft Wielkopolska - Patenregion der diesjährigen Polnischen Woche - sei eher ein Handels- als ein Kunstzentrum. Zwar kämen sehr viel mehr Posener nach Berlin als umgekehrt. Aber die neuen Cafés am Altmarkt und die "lebendigste Jazz-Szene Polens" machten einen Posen-Besuch für einen Tag und eine Nacht lohnend, verspricht Kopec.

Vor dem Roten Rathaus zeigt der Künstler eine zweite Installation. "Vertikal - horizontal" schwebt ein neun Meter langes Kreuz über dem Plaster. Der Gekreuzigte ist zweifellos ein Leidender, aber er ist nicht allein. Neben ihm stehen 17 bizarre Mensch-Stuhl-Objekte - Kunstwerke, die gesellschaftliche Defizite symbolisieren sollen. Irritierend ist auch ein hervorstechendes Detail am Schnittpunkt des Kreuzes: Ein bunt geringelter Dorn strebt meterhoch gen Himmel. Im Herbst vergangenen Jahres stellte Kopec die Werkgruppe auf dem Freiheitsplatz in Posen aus - und sah sich mit scharfen Protesten der katholischen Kirche konfrontiert. "Ich liebe den polnischen Katholizismus überhaupt nicht", sagt Kopec. "Das ist ein monströser Käfig."Programm-Informationen zur Polnischen Woche unter der Telefonnummer 24 75 81-0

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