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Berlin: So ein Staats-Theater

Flottes Motto, barockes Ambiente: 2500 Politiker, Journalisten und Wirtschaftsvertreter feiern beim Bundespressball

Riesengarnelen, Austern und Entenbrüste, Pasteten und Seeteufel, Sushi und Currywurst: die Speisekarte des Bundespresseballs ist sieben Seiten lang. Zu den 70 eigenen Köchen hat sich das Interconti für den Freitagabend 70 Gastköche eingeladen, darunter Kollegen aus der Schweiz, Shanghai und Japan. Sie filetieren und sautieren, pürieren und marinieren für 2500 Gäste, 900 Menüs und zwölf Büfetts. Der Ball steht dieses Jahr unter dem Motto „Staats-Theater“. Und es ist ein barockes Spektakel geworden – gerade so, als müssten sich in einer Anwandlung von Endzeitstimmung noch einmal die Buffettische biegen und als könne man in mageren Zeiten nicht genug bekommen von Gold, schweren Stoffen und plüschigem Prunk. Nach dem roten Teppich können die Gäste über rote Rosen flanieren – „geworfene“ rote Rosen, versteht sich, wahrscheinlich handgepflückt, nicht etwa gestreute oder fallen gelassene.

Die Politiker hätten im zurückliegenden Wahlkampf zu oft den Bundestag mit einem Theater verwechselt, begründet Ball-Organisator Alfred Gertler die Wahl des Mottos. Jetzt sei das Spiel gelaufen, „rien ne va plus.“ Deshalb hängen in den Sälen 120 Roulettescheiben, Spielkarten und Würfel. Der Bundespresseball will „die Lust am Deklamieren und Tranchieren“ fördern, heißt es auf der Einladung. Aber damit nicht genug, der Abend soll „den Sinn für Freiheit und Abenteuer“ beflügeln.

Abenteuerlich ist das künstlerische Programm für das „wichtigste Ballereignis des Jahres“, das Bundespräsident Johannes Rau und Tissy Bruns, die Vorsitzende der Bundespressekonferenz um 20.30 Uhr mit einem Walzer eröffnen. Es gipfelt im Auftritt der Mädchenband „No Angels“. Durch den Abend, auf dessen Gästeliste unter anderem Ministerin Edelgard Bulmahn, Wolfgang Clement und Renate Künastsowie die Länderchefs Gabriel, Simonis und Wowereit stehen, führt der 22-jährige Teenie-Star Ole Tillmann. Das Programmheft verspricht einen „Garant für eine reibungslose Moderation.“ Auch die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth und CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer haben ihr Kommen zugesagt, ebenso Friede Springer, Spiegel-Chef Stefan Aust und die Moderatoren Ulrich Wickert, Anne Will und Sandra Maischberger.

In den Foyers und Bars gibt’s Jazz, Diskomusik und viel 80er-Jahre-Feeling. Um 22 Uhr will das „Pyro Space Ballet“ den „Nerv der Zuschauer treffen“. Ihre Performance auf einer Drehbühne und drei Luftbühnen zum Thema „Zeit“ ist eine „durchgeknallte Inszenierung“, sagt Saskia Steinbauer, die das Kulturprogramm für den Abend organisierte. Sie meint es werbend. Die Hotelrezeption sei das Experimentierstudio, da setze man nicht wie in den anderen Räumen auf Bewährtes. 20 Minuten lang werden geflügelte Tänzer, Akrobaten, und Pantomimen in Engelskostümen und als „Schattenmänner“ verkleidet 24 Bilder zum Thema „Zeit“ kreieren: zeitlos, zeitgemäß, zeitig. „Alles ganz surreal, wie in einem Dáli-Gemälde, mit viel Energie und symbolträchtigem Ausdruck.“

Auch dieses Jahr kann man bei der Tombola Weltreisen, Kreuzfahrten und ein Mercedes-Sportcoupé gewinnen. Und die Bewag, die in Anzeigen damit wirbt, dass sie die Kühlschränke mit Strom versorgt, auch wenn sie leer sind, möchte einen persönlichen Wunsch für 13000 Euro erfüllen.

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