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So kann’s gehen: Aber bitte mit Rotwein

Immer wieder sonntagsfragen SieElisabeth Binder.

Die Tochter meiner Frau hat uns beide und zwei weitere Paare aus dem engsten Familienkreis per E-Mail (bisher ging das immer persönlich oder telefonisch) zu Heiligabend eingeladen. Abschließend schrieb sie: „P.S.: Es wird bei uns zu Hause kein Alkohol mehr getrunken.“ Ohne weitere Erläuterung oder Bitte um Verständnis. Hintergrund ist vermutlich, dass ihr neuer Partner unter Alkoholeinfluss aggressiv wird. Wir empfinden diese Art von Einladung aber als respektlose Bevormundung und Zumutung. Oder sind wir nur unmoderne Spießer?

Wenn Ihre Vermutung richtig ist, dass der Partner aggressiv wird, wenn er getrunken hat, dann steckt wahrscheinlich Unsicherheit hinter dieser seltsamen Einladung. Vielleicht ist es der Tochter einfach peinlich, den wahren Grund für die Abstinenz zu nennen, und sie hat deshalb ganz darauf verzichtet. Womöglich steht diese Hausregel auch noch auf sehr tönernen Füßen. Denn sonst hätte ja der Ehemann für sich beschließen können, lieber Traubensaft statt Wein zu trinken. Dass der notwendige Verzicht des einen den erzwungenen Verzicht der anderen nach sich zieht, klingt tatsächlich unnötig unfreundlich. Mag sein, dass die Tochter durch ihren unverträglichen Mann einen Eklat befürchtet und sich nicht anders zu helfen weiß, als den Alkohol ganz aus dem Haus zu verbannen. Dieser ungelöste Konflikt steht wahrscheinlich hinter der unglücklichen Einladung. Darüber hätte sie mit der Mutter vertraulich sprechen und ihre Gründe für diese neue Regel erläutern können. Heiligabend ist nun mal Anlass für Familienfeste, und es ist eigentlich auch normal, dass dabei Alkoholisches getrunken wird, jedenfalls in unserem Kulturkreis. Es gibt natürlich auch religiöse Gemeinschaften, in denen der Alkoholgenuss verboten ist, aber ich gehe mal davon aus, dass dies bei Ihnen nicht der Fall ist.

In jedem Fall sollte Ihre Frau die Tochter zu der Angelegenheit befragen und deutlich machen, dass diese Art von Bevormundung ihre Lust, dort zu feiern, nicht gerade hebt. Dann können Sie immer noch überlegen, ob Sie die Einladung nicht annehmen, oder ob Ihre Kreativität gefragt ist, um das Fest anders oder anderswo zu organisieren.

Bitte schicken Sie Ihre Fragen mit der Post (Der Tagesspiegel, „Immer wieder sonntags“, 10876 Berlin) oder mailen Sie diese an: meinefrage@tagesspiegel.de

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