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So kann’s gehen: Ist Trinkgeld unmodern?

Immer wieder sonntagsfragen SieElisabeth Binder

Immer mal wieder behandeln Sie die Frage, wo man wie viel Trinkgeld geben muss. Nach meinem Gefühl ist Trinkgeld völlig überholt. Die Leute haben doch ein Einkommen. Warum da noch etwas extra geben?

Dass Trinkgeld out ist, werden viele Kellner und Friseure mit niedrigem Einkommen ganz anders sehen. Für sie ist es eine Einnahmequelle, die das oft niedrige Einkommen ergänzt. Gleichzeitig motiviert es, guten Service zu bieten und die kleine Extraanstrengung einzubringen, von der Sie auch schließlich etwas haben. Es scheint freilich mehr Menschen zu geben, die wie Sie denken, denn ich beobachte in Restaurants immer wieder, wie Kellner das Trinkgeld einzutreiben versuchen, indem sie das Wechselgeld stillschweigend einbehalten oder zumindest den Versuch dazu unternehmen. Das erzeugt Unzufriedenheit, und die ist wiederum immer ein guter Grund, das Trinkgeld zu kürzen. Das gilt natürlich zum Beispiel auch beim Friseur, wenn die Haare plötzlich rot statt braun gefärbt sind, oder auch in Taxis. Wenn man merkt, dass der Fahrer ohne Not einen Umweg fährt, kann man den Ärger darüber mit Trinkgeld-Entzug ausdrücken. Andererseits sind Berliner Taxifahrer viel besser als ihr Ruf und helfen auch mal mit schwerem Gepäck und unternehmen zusätzliche Anstrengungen, um einen eiligen Gast schnell ans Ziel zu bringen. Das sollte einem natürlich ein Trinkgeld wert sein. Auch in Hotels gehört es sich, dem Zimmermädchen einen kleinen Obolus hinzulegen, wenn man sich über das saubere und aufgeräumte Zimmer freut.

Trinkgeld schuldig zu bleiben, wenn der Service in Ordnung war, ist nicht richtig. Man sollte das auf jeden Fall mit einkalkulieren. Ein kleines Dankeschön verbessert einfach auch das Klima in der Stadt. Die Hoffnung, dass sich das Thema irgendwann überholt, würde ich gerne dämpfen. Auch in anderen Ländern erwartet Servicepersonal ein Trinkgeld, in den USA, wo das feste Einkommen kaum vorhanden ist, sind sogar oft 15 bis 18 Prozent Standard. Da sollte man an 10 Prozent nicht sparen.

Bitte schicken Sie Ihre Fragen mit der Post (Der Tagesspiegel, „Immer wieder sonntags“, 10876 Berlin) oder mailen Sie diese an: meinefrage@tagesspiegel.de

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