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So kann’s gehen: Wohin mit der Jacke?

Immer wieder sonntagsfragen SieElisabeth Binder.

Ich bin in den Fünfzigern und wohne in einer WG mit einer 40-jährigen Frau. Die hat neuerdings einen Freund, dessen Jacke einen für mich unangenehmen Geruch verströmt. Ist der Mann zu Besuch, hängt er die Jacke in den Flur, und der Geruch geht auf meine Kleidung über. Das macht mich richtig wütend. Ich möchte den Besucher bitten, die Jacke in den Zimmern der Frau unterzubringen. Die meint aber, damit würde ich seine Gefühle verletzen.

Das scheint keine ganz einfache Wohngemeinschaft zu sein. Es wäre für Ihre Mitbewohnerin ja leicht, den Freund zu bitten, die Jacke mit in ihre Räume zu bringen. Allerdings könnte ich es verstehen, wenn sie Ihre Empfindlichkeit übertrieben findet. Hält man sich in der Nähe eines Kamins oder in einem Raucherraum auf, kann es schon sein, dass die eigene Kleidung hinterher anders riecht. Aber dass eine einzelne Jacke einen so starken Effekt hat, halte ich für nicht sehr wahrscheinlich. Gerade deshalb wäre es richtig von der Mitbewohnerin, Rücksicht zu nehmen auf Ihre Aversion gegen das Kleidungsstück des Freundes. Vielleicht steht es nicht nur für unangenehmen Geruch, sondern für etwas ganz anderes. Das können Sie nur selber erkennen, indem Sie sich fragen, ob Sie die Besuche des Freundes vielleicht unbewusst als Revierverletzung empfinden. Selbst wenn es sich nach außen hin nur um eine praktische Wohngemeinschaft handelt, könnte es doch sein, dass Sie im Hinblick auf die Mitbewohnerin Gefühle entwickelt haben, die mehr umfassen als die gemeinschaftliche Nutzung von Küche und Bad und sich das vielleicht nur nicht eingestehen können oder wollen. Das spräche dafür, dass die Aversion gegen die Jacke noch deutlich steigen könnte. Manchmal verflüchtigen sich Gerüche durch Selbsterforschung. Oder sie werden erst recht unerträglich. Dann wird es wohl nicht reichen, wenn der Fremde die Jacke mit ins Zimmer der Frau nimmt.

Bitte schicken Sie Ihre Fragen mit der Post (Der Tagesspiegel, „Immer wieder sonntags“, 10876 Berlin) oder mailen Sie diese an:

meinefrage@tagesspiegel.de

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