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Berlin: Society, wie Karin Stoiber sie sieht

Von Elisabeth Binder Berlin ist eine schreckliche Stadt. Das behaupten viele draußen im Lande, und sie haben ja Recht.

Von Elisabeth Binder

Berlin ist eine schreckliche Stadt. Das behaupten viele draußen im Lande, und sie haben ja Recht. Nur eines kann so furchtbar nicht sein: das Parteispendenwesen. Sonst wäre der Auftritt von Frau Karin Stoiber, die zu einem „festlichen Abendessen für Frauen aus der Berliner Gesellschaft und aus der Politik" in die Bayerische Landesvertretung geladen hatte, wohl anders ausgefallen. Es müsste doch in München, wo man das Gästelisten-Design an sich perfekt beherrscht, bestimmt jemanden gegeben, der ein paar Tipps zur Berliner Gesellschaft bereit hält, vielleicht sogar Mitglieder-Verzeichnisse eines der zahlreichen Frauen-Netzwerke wie Ladies Lunch oder Meet me in Mitte. Tipps sind als Spende schließlich oft wertvoller als Aktenkoffer voller Geld, die am Ende nur Ärger bringen und in irgendwelchen Ausschüssen von neidgeplagten Kollegen auseinander gepflückt werden. Tipps, die machen sich später bezahlt. Aber egal. Diese Netzwerke haben ja auch den ganz großen Mangel, dass sie überwiegend von, nun ja, karriereorientierten Frauen bestritten werden.

Irina Pabst, die gute Benefiz-Seele, ist immerhin da, diverse Unternehmersgattinnen, Damen, die ehrenamtlich oder sogar hauptberuflich wohltätigen Zwecken dienen, zahlreiche Ordensschwestern und einige Botschafterfrauen, die von der Gastgeberin im ersten Satz als Exzellenzen begrüßt werden. Bereits im zweiten Satz kommt sie darauf zu sprechen, wie sie vor nunmehr 34 Jahren ihren Mann geheiratet hat. Jede Frau eines Spitzenpolitikers, liest sie artig vor, sei zugleich seine Beraterin, weil man doch auch beraten könne, „ohne gleich im Vordergrund zu stehen". Gerade im sozialen Bereich, fährt sie fort, „kann ich meinem Mann wertvolle Hinweise geben". Wie um das zu unterstreichen, bittet sie nobel Katherina Reiche, die in Sünde lebende designierte Ministerin für etwas Unverfänglicheres als Familie, an ihre linke Seite und dies, obwohl auch eine Ordensfrau am Tisch sitzt.

Karin Stoiber sieht schlank und elegant aus, allerdings auffällig nach dem Vorbild von Sabine Christiansen gestylt, was auch wieder gefährlich ist, weil die ja nun in den letzten Monaten gezeigt hat, wie man erst richtig abheben kann ohne den Ballast eines Ehemanns, dies auf gesellschaftlicher Ebene zugegeben oft in der etwas fragwürdigen Gesellschaft eines Mannes, der als Hauptstadt-Bürgermeister fröhlich manches gut so finden darf, was ihm eine Karriere im Stoiber-Team bestimmt nicht erleichtern würde. Kein Image-Rat, nirgends. Es wird doch kein schlechtes Wahlomen sein, dass niemand aus der Eventbranche zum Dinner kam?

Was ist bloß mit den Münchnerinnen los? Die in Escada gestylten Damen, die unter der Obhut von Star-Coiffeur Gerhard Meir alle paar Tage im Society-Shuttle eingeschwebt kommen, um in der Hauptstadt das fortgeschrittene Bussiwesen zu lehren, können doch unmöglich alle PDS-Wählerinnen sein? Warum sind sie dann nicht hier, und warum sagt niemand der Frau Stoiber, die da gerade so rührend wie charmant berichtet, wie sie es ja ihrem Mann zu verdanken habe, dass sie nun öfter auch mal aus Bayern herauskomme und in der letzten Woche gar den „wunderschönen Gendarmenmarkt" gesehen habe, was für eine schreckliche Stadt das im Grunde hier ist, wunderschöner Gendarmenmarkt hin oder her, und wie man über die Maßen viel heile Welt abwerfen muss, um da wirklich anzukommen. Wenigstens sollte sich in der ganzen CSU jemand finden lassen, der eine Rede schreibt, die nicht darin gipfelt, „dass wir Frauen ja unseren eigenen spezifischen Blick" haben.

Wie spezifisch auch immer, im Anschluss lenkten sich noch manche Blicke auf das Sommerfest des ZDF, wo sich in der Kulisse der Nationalgalerie Joschka Fischer und Elvira Bach durch die Menge drängen, Otto Schily galant Bremens Staatsrätin Kerstin Kießler begrüßt, die Schriftstellerin Christine Eichel neue Ideen ausheckt und Renate Künast Punkte an der Torwand sammelt. Hier ist wieder so richtig Berlin: Alles meckert, alles mäkelt - zu kalt, zu laut, zu nudelsahnig („Und kannste mir mal sagen, warum immer die falschen Leute die dicken Lose haben?) - aber natürlich amüsiert sich alles und holt sich rasch noch’n Bier. Oder lieber’n Sekt? „Das ist ja fast wie Rummel", sagt eine der Gattinnen, die auch gerade aus der Landesvertretung eingetroffen und offenbar nicht ganz so fromm ist wie die anderen. Beim Rausgehen, spät in der Nacht, gibt es beim ZDF noch eine Broschüre zum Thema Heiraten. Nein, nicht von einem Pater. Von einem Steuerberater! So schlimm ist Berlin. Und das ist nur der Anfang.

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