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Berlin: Sogar der Fußpilz ist eine heiße Spur

Den Tatorttrupp der Kripo bringen selbst kleinste Indizien weiter

„Wir sind die Geheimwaffe der Kriminalpolizei und arbeiten still vor uns hin“, beschreibt Michael Goszdziewski selbstbewusst die Aufgabe des Tatorttrupps des Landeskriminalamtes (LKA). Den Begriff „Tatort“ hört der 56-jährige Referatsleiter der Polizeitechnischen Untersuchungsanstalt (PTU) allerdings nicht gern. Er spricht lieber vom „Ereignisort“. Denn Spuren werden auch nach Unglücken gesichert, nicht nur an „Tatorten“, wo Straftaten verübt wurden.

Man erkennt die Experten an ihren weißen Kapuzenanzügen, den Füßlingen und dem Mundschutz. Dies verhindert, dass sie selbst Spuren hinterlassen. Meist haben die Kripo-Leute in Weiß es mit Fußspuren in Form von Schuhabdrücken zu tun. Oder mit Fingerabdrücken, Blut und Haaren, Hautfetzen oder Kleidungsfasern. Anhand der Schuhabdrücke, die nach bewährter Methode mit Gips ausgegossen werden, lassen sich Rückschlüsse auf das getragene Schuhwerk ziehen. Fingerabdrücke erlauben die absolut sichere Identifizierung eines Menschen, ebenso Haar- und Blutproben, aus denen der genetische Fingerabdruck eines Menschen destilliert wird. „Alles, was nicht nullachtfünfzehn ist, das gehört zu unserer Arbeit“, sagt Goszdziewski. „Wir müssen Spuren suchen, die man häufig nicht sehen kann.“ Daher gehören Staubsauger mit besonderen Filtern, Klebeband und Rußpulver zur Standardausstattung. Rußpulver, um Fingerabdrücke sichtbar zu machen. Klebeband, um sie abzunehmen und untersuchen zu können. Fliegenmaden werden in kleinen Plastikdosen gesammelt. An der Art und Größe lässt sich bestimmen, wie lange eine Leiche bereits gelegen hat. Ebenso, ob der Fundort auch der Tatort ist.

„Was wollen wir?“, fragt Goszdziewski, um seine Frage gleich selbst zu beantworten: „Wir wollen eine Handlung, die stattfand, bei der wir aber nicht dabei waren, darlegen und rekonstruieren.“ Das ist nicht immer leicht, denn kein Ereignisort gleicht dem vorherigen, jede Situation, zu der die Mitarbeiter von Goszdziewski kommen, bedarf einer neuen Einschätzung. Aber: „Spuren lassen sich nicht verhindern“, weiß der der Kriminalist. Da kann ein Täter so vorsichtig und vermeintlich schlau vorgehen wie er will. Einem Einbrecher in der langjährigen Praxis von Goszdziewski wurde sein Fußpilz zum Verhängnis. Der Täter hatte sich vom Treppenhausfenster barfuß über ein Regenrohr zum einzigen offenen Fenster – dem Oberlicht einer Toilette in einer Altbauwohnung – gehangelt und war eingestiegen. Aber seine vom Fußpilz zerfressenen Fußsohlen hinterließen für die Kriminalisten deutlich sichtbare Spuren. Der Verdacht, dass der Täter im Haus wohnte, lag nahe. So untersuchten die Ermittler als erstes die Füße der Mieter – und wurden schnell fündig.

Kriminaltechnik ist ein interessantes Gebiet in der Polizeiarbeit: „Man wird mit dem Leben konfrontiert“, sagt Joachim Rudolph. Sehr häufig wird der 54-jährige Kriminalist aber auch dem Tod gegenübergestellt. Bei Morden zum Beispiel. „Da betrachtet man das vor einem liegende Häufchen Mensch als Sache.“ Reiner Eigenschutz, sagte Rudolph. Er macht das seit über 30 Jahren. Stumpfen im Lauf der Jahre die Gefühle gegenüber dem täglichen Elend nicht ab? Nein, sagt Rudolph. Aber: Nicht jeder ist für diese Aufgabe geeignet. „Man ist für diese Tätigkeit berufen.“ Da ist sich Rudolph sicher.

Für die Arbeit braucht man Geduld. Es kann Stunden, aber auch Tage dauern, bis alle Spuren gesichert sind. „Man rennt nicht einfach in eine Wohnung, sondern arbeitet sich Meter für Meter vor.“ Dabei gilt es immer, eine alte Weisheit zu berücksichtigen: Der Tatorttrupp geht nie den Weg, den auch der Täter benutzt haben könnte – um keine Spuren zu vernichten. Aber welchen Weg hat der Täter genommen? Diese Frage stellen sich die Fährtensucher der Kripo immer wieder. Jeden Tag aufs Neue, wenn sie gerufen werden. Werner Schmidt

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