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Berlin: Sogar die Sekretärin muss gehen

Tennis Borussia, einst stolzer Fußball-Bundesligist, ist sportlich und finanziell wieder einmal ganz unten

Gabriele Wahnschaffe war wütend. „Warum sollen wir ausbaden, was die Männer verbockt haben“, schimpfte sie. Wahnschaffe ist Trainerin der Bundesliga-Fußballerinnen von Tennis Borussia. Es sieht so aus, als ob sie demnächst keine Bundesliga-Mannschaft mehr betreuen wird. Der Paragraf 6 der DFB-Statuten könnte den TeBe-Frauen zum Verhängnis werden. Dort heißt es: „Die klassenhöchste Herren- oder Frauenmannschaft eines Vereins, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet oder bei dem die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt wird, gilt als Absteiger in die nächste Spielklasse.“ Dass Tennis Borussia insolvent, also zahlungsunfähig, ist, gilt spätestens seit der letzten Mitgliederversammlung als sicher. Damit ist der Weg der TeBe-Frauen also vorgezeichnet. Allerdings – als fast schon aussichtsloser Tabellenvorletzter würde ihnen der Abstieg ohnehin nicht erspart bleiben.

Rund 20 000 Euro kostet ein Insolvenzverfahren. Bei Tennis Borussia hat man Mühe, selbst diese fast schon lächerliche Summe aufzubringen. Doch man wird sie wohl aufbringen müssen. Würde man dem Vorstand um Klaus Schumann nämlich eine Verschleppung des Insolvenzverfahrens nachweisen können, hätte das strafrechtliche Folgen. Als ein Anwalt die TeBe-Verantwortlichen bei der Mitgliederversammlung in der Aula des Schiller-Gymnasiums auf diese Möglichkeit hinwies, zuckten die erkennbar zusammen.

Die Hoffnung, dem Insolvenzverfahren noch ausweichen zu können, ist gering. 245 000 Euro Verbindlichkeiten sind nicht gewaltig, doch für einen Oberligisten ohne Chance zum Aufstieg eben doch. Hätte die ursprüngliche Forderung des Finanzamtes über 800 000 Euro Bestand gehabt, hätte es gar keine Zweifel mehr an der Notwendigkeit eines Insolvenzverfahrens gegeben. Die Unterdeckung von 145 000 Euro für die laufende Saison ist neben den Schulden allerdings ernüchternd genug.

Es bleiben vage Hoffnungen, vielleicht doch noch Geld in die reichlich schwindsüchtige Kasse zu bekommen. So fahndet man noch immer nach dem Verbleib von 90 000 Mark, die bei dem Transfer von Faruk Namdar in die Türkei irgendwo auf der Strecke geblieben sind. Bei TeBe hat man den Verdacht, dass sich ein Spielervermittler das Geld in die eigene Tasche gesteckt hat. Nachforschungen auch über den DFB blieben bislang erfolglos.

Erfolglos blieb man auch beim Versuch, säumige Mitglieder zur Kasse zu bitten. Bei einer Mitgliederversammlung vor Monaten wurde bei 195 Ja-Stimmen und zehn Nein-Stimmen beschlossen, dass jedes Vereinsmitglied einen Solidaritätsbeitrag von 150 Euro zu leisten hat. Gerade einmal 28 120 Euro kamen zusammen, 48 900 stehen noch aus. „Wir könnten die Gelder ja zwangsweise eintreiben, doch das ist nicht unser Stil“, sagt Vorstandsmitglied Erhard Rösler, zu seligen Bundesligazeiten bei TeBe schon Pressesprecher. Dass Ehrenpräsident Heinz Pietzsch für zehn Mitglieder die Patenschaft übernahm und damit 1500 Euro einzahlte, andere weniger Betuchte in Teilbeträgen à 50 Euro ihren Obolus entrichteten, wurde wohlwollend registriert, am Dilemma änderte das nur wenig.

„Die Verursacher der Misere“ (Rösler) müssen auch zurückstecken. Letztmals im Dezember erhielten die Oberliga-Kicker ihr Gehalt. Darunter hat offenbar auch der sportliche Ehrgeiz gelitten. Die letzte Heimniederlage gegen den Tabellensiebten Neuruppin scheint ein Indiz dafür zu sein.

Zu den Opfern zählt auch die einzige Sekretärin: Ihr wurde gekündigt. „Dann können wir die Geschäftsstelle eben nur noch an zwei oder drei Tagen öffnen, und dann auch nur stundenweise“, sagt Rösler. Geld wird man zudem einsparen, indem einige Mieträume im Mommsenstadion aufgegeben werden.

Dass mit Axel Lange und Klaus-Volker Stolle zwei Mitglieder des Aufsichtsrates nicht mehr dabei sind, macht die Situation nicht besser. Beide haben in der Vergangenheit viel Geld in den maroden Klub gesteckt. Ihren Nachfolgern wird hoch angerechnet, dass sie sich in dieser misslichen Situation überhaupt zur Wahl stellten. Unter den elf Kandidaten war auch jener Mann, der am Mommsenstadion hin und wieder Schilder aufstellt.

Gewählt wurden andere. So Stefan Wöpke, Stadtrat für Soziales in Steglitz-Zehlendorf. „Da bin ich ja bei TeBe gerade richtig“, sagte er nach seiner Wahl süffisant. Auch Sebastian Schütz, von Beruf Anwalt und Sohn des früheren Regierenden Bürgermeisters Klaus Schütz.

Tennis Borussia ist eben immer noch eine gute Adresse. Freilich eine, die von der Landkarte verschwinden könnte.

Klaus Rocca

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