zum Hauptinhalt

Solidarität: Mit Versen gegen den Terror in Iran

Iraner organisieren in Berlin weiter Solidaritätsveranstaltungen: Diesmal war Rapper Shahin Najafi dabei.

Jetzt stehen sie gerade, die blauen und roten blumenförmigen Kerzenständer unter den sieben Fotos. Eine Studentin hat alles noch einmal zurechtgerückt, damit niemand, der an diesem Samstagabend zu einem Solidaritätskonzert ins Ballhaus Ost kommt, die Bilder übersieht. Die sechs jungen Männer und eine Frau sind in den letzten Wochen im Iran getötet worden, weil sie gegen den Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad und das politische System demonstriert haben.

Einer von ihnen, der auf dem Bild ein blaues T-Shirt trägt und in die Kamera lächelt, heißt Sohrab Araabi – und ist gerade mal 19 Jahre alt geworden. „Ein paar von uns kannten Sohrab“, sagt der 35-jährige Pedram Shahyar, der mit vielen anderen vor ein paar Wochen das „Netzwerk junger Iraner in Berlin“ gegründet hat. Um sich zu organisieren und solidarisch zu zeigen mit den Demonstranten im Iran.„Der Damm der Angst ist dort gebrochen“, sagt Pedram, der vor 23 Jahren mit seinen Eltern nach Deutschland kam – und seit den Demonstrationen im Juni in einer „Identitätskrise“ steckt. „Ich habe mich immer weitgehend als Deutscher gefühlt, aber seit vier Wochen lebe ich eigentlich mehr im Iran.“

Das hat natürlich vor allem mit den virtuellen Medien zu tun – die in Sekundenschnelle Bilder von Demonstrationen per Youtube um die Welt schicken. Fotos von den Protesten werden an diesem Abend auch an die Wände im Ballhaus Ost projiziert: Junge und alte Menschen sind darauf zu sehen, die sich der Polizei selbstbewusst entgegenstellen. Aber auch Menschen, die brutal von den Sicherheitskräften zusammengeschlagen werden und blutend am Boden liegen. Pedram Shahyar fühlt sich durch den Widerstand seiner Landsleute euphorisiert: „Die Leute gehen auf die Straße, obwohl sie wissen, dass sie vielleicht nicht zurückkommen“, sagt er, der aus dem Iran von mehreren hundert Getöteten gehört hat – und von Tausenden, die verhaftet und misshandelt worden sind.

Inzwischen haben sich einige hundert Besucher in den Ballsaal gedrängt, in dem es unglaublich heiß ist. Gekommen sind viele wegen ihm: Shahin Najafi, der in seiner Heimat berühmt ist, den Iran aber trotzdem vor vier Jahren verlassen hat. „Ich konnte dort nicht weitermachen“, sagt der 28-Jährige, der inzwischen in Köln lebt und sein Geld bei einer Fast-Food-Kette verdient.

Die Musik ist aber weiterhin das Wichtigste für den jungen Iraner, der mit der klassischen Gitarre angefangen hat und früh in Rockbands spielte – heimlich natürlich, denn auftreten konnte er mit dieser Musik im Iran nicht. „Die Dinge, über die ich in meinen Texten erzähle, darf man dort nicht offen aussprechen“, sagt er und setzt sich vor dem Auftritt noch schnell auf das ziemlich durchgesessene Sofa im Hinterzimmer.

Der 28-Jährige rappt und singt vor allem über Armut, Sucht, Zensur – und Frauenfeindlichkeit. „Wenn du die Lage eines Landes begreifen willst, musst du dir die Situation der Frauen anschauen“, sagt er und geht hinüber in den Ballsaal.

Dort nimmt er auf der Bühne Platz, zieht die Schuhe aus, greift zur Gitarre – und fängt an zu singen. Viele Besucher summen und sprechen leise mit. Eines von Shahins neuesten Liedern ist der Studentin Neda gewidmet, die vor einigen Wochen in Teheran ermordet wurde. „Dieser Aufruhr ist historisch einmalig“, hat der 28-Jährige vor dem Auftritt gesagt. Denn dieses Mal demonstrierten nicht nur Studenten – sondern alle, auch Arbeiter und Angestellte. Rita Nikolow

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false