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Berlin: Soll das Berliner Parlament verkleinert werden?

Man stelle sich das Dasein des Abgeordneten nicht bequem vor. Es kann bedeuten, unbemerkt von der Öffentlichkeit einmal im Jahr eine Rede vor schläfrigen Kollegen zu halten oder in Fraktions- und Ausschusssitzungen lange Stunden zu diskutieren, etwa über einen Generalpachtvertrag zur Verwaltung der Erbbausiedlungen im Land Berlin.

Man stelle sich das Dasein des Abgeordneten nicht bequem vor. Es kann bedeuten, unbemerkt von der Öffentlichkeit einmal im Jahr eine Rede vor schläfrigen Kollegen zu halten oder in Fraktions- und Ausschusssitzungen lange Stunden zu diskutieren, etwa über einen Generalpachtvertrag zur Verwaltung der Erbbausiedlungen im Land Berlin. Es kann bedeuten, der Basis in anderen langen Sitzungen zu erläutern, wie schwer es ist, den Interessen von, sagen wir, Borsigwalde stärker zur Geltung zu verhelfen. Es bedeutet, Termine ohne Zahl zu absolvieren. Gäbe es noch mehr Abgeordnete, würden sie noch mehr Termine absolvieren. Wenn man das Abgeordnetenhaus auf 300 oder 600 Parlamentarier vergrößerte, würde die Berliner Politik massiger, aber nicht besser. Sie würde sich garantiert mit der Frage befassen, ob Deutschland einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat anstreben soll. Ein Parlament mit 75 oder 80 Abgeordneten wäre zur Konzentration auf das Wesentliche gezwungen: das Stadtgebiet, in dem ein übersichtlicher Kreis von Leuten entscheidet. Dann würde sich das Publikum stärker interessieren und seltener den Eindruck haben, dass einige für den Bundestag trainieren, während andere die Hoffnung aufgegeben haben – zum Glück für den Bundestag.

Zweifellos liegt es im Zeitgeist, zu sparen, zu kürzen, zu verringern. Und zweifellos ist es populär, ja populistisch, gerade die Einsparung von Abgeordneten zu fordern. Nun also kommt der Vorschlag, gleich die Hälfte einzusparen, die dann aber doppelt so hoch als Vollzeitkräfte zu bezahlen. Wir haben 141 Abgeordnete, für eine Stadt von 3,5 Millionen Einwohnern sind das nicht zu viel. 100 mehr waren es unmittelbar nach der Vereinigung. Berlin erfordert harte parlamentarische Arbeit. Es gibt viele Ausschüsse, um die Projekte und Probleme in Deutschlands größter Stadt im Detail zu erörtern. Das können 70 Leute nicht stemmen. Denn die Aufgaben in der Stadt werden durch weniger Abgeordnete nicht kleiner. Hinzu kommt, dass durch stärkere Länderkompetenzen künftig noch mehr Arbeit auf die Abgeordneten zukommt. Die Aussicht, in ein geschrumpftes Parlament als Vollzeitkraft einzusteigen, dürfte anziehend für diejenigen Parteisoldaten sein, die sonst, überspitzt formuliert, vielleicht auf der Straße lägen. Keine rosigen Aussichten, ein Parlament der Besten zu schaffen. Dass unsere Abgeordneten nebenbei noch einen Beruf haben, der sie nicht auf Gedeih und Verderb an die Politik kettet, macht sie freier, um die Politik zu kontrollieren. Dazu sind sie da. Christian van Lessen

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