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Berlin: Soll der Palast der Republik stehen bleiben?

Das asbestfreie Wrack am Ufer der Spree hat für seine Bauherrn gebüßt und für seine Geschichte gelitten; die Art und Weise, wie man mit diesem Stück deutscher Wertarbeit umgesprungen ist, ist ein Skandal. Das Skelett ähnelt nun wieder dem Rohbau vor 30 Jahren.

Das asbestfreie Wrack am Ufer der Spree hat für seine Bauherrn gebüßt und für seine Geschichte gelitten; die Art und Weise, wie man mit diesem Stück deutscher Wertarbeit umgesprungen ist, ist ein Skandal. Das Skelett ähnelt nun wieder dem Rohbau vor 30 Jahren. Jetzt steht – trotz eines Bundestagsbeschlusses, den Grüne, Linke, Architekten und Künstler revidiert haben möchten – alles auf Messers Schneide. Entweder Abriss für eine Brache und irgendwann, vielleicht in 20 Jahren, ein Schloss, dessen Innenleben, Finanzierung, Nutzen und Nutzung in den Sternen steht. Beim Schloss wurde damals Politik entsorgt. Soll sich so etwas 50 Jahre später wiederholen? Ist unser gesunder Menschenverstand nicht klüger geworden? Jetzt hat man noch die Chance, auf einem festen Fundament etwas Neues zu schaffen, statt zu zerstören. 20000 Tonnen bester Stahl sind schon da, auch lichte, riesige Räume, um die uns andere beneiden. Man könnte das alles innen und außen verschönern, um es später in ein Schloss oder etwas Moderneres zu integrieren. So lange aber wäre es ein spannender Ort für Ausstellungen und Veranstaltungen, für Leben in der City. Die Jungen, die es länger mit dem Gebäude zu tun haben als die Entscheider von heute, zeigten schon, wie unvoreingenommen man mit diesem Ort umgehen kann. Also: stehen lassen, modernisieren, nutzen, weitersehen. Technisch lässt sich alles machen. Man muss nur wollen.

Man kennt so etwas sonst aus heruntergekommenen Hafenvierteln oder Industriegebieten: mit Spanplatten und Blechgittern verrammelte riesige Stahlhallen, beschmiert, nutzlos, der Funktion seit Jahren beraubt. So etwas leistet sich Berlin im Herzen der Stadt, direkt an der Spree, eine Blechbude, die von Nostalgikern immer noch als „Palast“ bezeichnet wird. Wenn die Ruine noch zu etwas gut ist, dann nur hierzu: Touristen aus aller Welt vorzuführen, wie entscheidungsschwach diese Stadt ist. Seit 15 Jahren ist das DDR-Gebäude fast durchgängig gesperrt, seitdem wird hin und her argumentiert und gestritten. Jetzt, nachdem das Haus vom giftigen Asbest befreit ist (immerhin!), klammern sich neben den DDR-Nostalgikern noch einige Künstler an das Stahlskelett, weil man die geräumige Leere im Innern doch prima für irgendwelche Kunstaktionen nützen könne. Für diese Theaterspieler wird sich sicherlich eine Halle in Neukölln oder Spandau finden lassen, ebenso hässlich, kalt und leer. Das Zentrum der Mitte hat wirklich etwas Besseres verdient als Bauzäune und Stacheldraht: zum Beispiel eine nette Freitreppe zum Wasser, eine Grünanlage bis hinüber zum Spreekanal. Das kostet keine Millionen, aber Millionen hätten etwas davon. Den schon zweimal vom Bundestag beschlossenen Abriss weiter zu verzögern mit dem Argument, der Schlossneubau sei zu teuer, das ist Irrsinn. Der Palastabriss hat mit dem Schlossneubau nichts zu tun. Jörn Hasselmann

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