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Berlin: Soll die direkte Mitbestimmung erleichtert werden?

PROSeit über zehn Jahren haben die Berliner das Recht, mit Hilfe von Volksbegehren und -entscheiden gesetzgeberisch tätig zu werden oder das Parlament zu zwingen, sich mit einem bestimmten Thema zu befassen. Nur – dieses Recht ist so kompliziert und einschränkend formuliert, dass es bis heute keine Wirkung entfaltet.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

PRO

Seit über zehn Jahren haben die Berliner das Recht, mit Hilfe von Volksbegehren und -entscheiden gesetzgeberisch tätig zu werden oder das Parlament zu zwingen, sich mit einem bestimmten Thema zu befassen. Nur – dieses Recht ist so kompliziert und einschränkend formuliert, dass es bis heute keine Wirkung entfaltet. Alle Volksbegehren in Berlin sind gescheitert, nicht unbedingt wegen mangelnder Unterstützung, sondern eher an den schwierigen Verfahrensregeln und an juristischen Hürden. Einfacher ausgedrückt: Der Wurstzipfel hängt so hoch, dass der Hund nicht rankommt.

Das kann es aber nicht sein. Ein Gesetzgeber, der dem Volk nicht zutraut, sich an der Lösung der Probleme direkt zu beteiligen, sollte so ehrlich sein, Volksbegehren und -entscheide wieder aus der Verfassung zu streichen. Wer aber mehr Demokratie will, muss den engagierten Bürgern eine echte Chance bieten. Das ist der Sinn der Reform, die am 17. September zur Abstimmung steht. Eine Volksgesetzgebung muss ihren Namen verdienen! So sind die bezirklichen Bürgerbegehren, die es seit einem Jahr gibt, nur deshalb ein echter Renner geworden, weil die gesetzlichen Hürden nicht zu hoch gesetzt wurden. Das macht Mut. Mündige Bürger wollen eben nicht nur alle paar Jahre ihr Kreuzchen auf dem Wahlzettel machen. Sie wollen kräftig mitmischen.

CONTRA

Wer hätte die Erfahrung nicht vielfach selbst gemacht: Die meisten Fragen auf dieser Welt sind zu kompliziert, um sie mit Ja oder Nein zu beantworten. Lässt man aber nur diese zwei Antworten zu, muss man vereinfachen, grob werden, Feinheiten, Zwischentöne ausradieren. Kurz: Die Ja/Nein-Option ist eine radikale Reaktion auf eine radikale Frage. Und genau das soll Politik doch vermeiden. Ihr Ziel ist der für alle – auch für Minderheiten – akzeptable Kompromiss.

Auf bezirklicher Ebene mag es Problemlagen geben, die übersichtlich genug für eine knappe Antwort sind. Hier gibt es vereinfachte Regeln, sodass Bürger per Begehren entscheiden können. Aber was soll auf Landesebene direkt bestimmt werden? Welche landespolitische Frage hätte sich mittels Volksbegehren in vernünftige Bahnen lenken lassen? Ein Schlachtruf „Alles Geld für Bildung“ beispielsweise wäre nicht abstimmbar, weil das den Haushaltsplan infrage stellen würde. Mit dem direkten Zugriff auf Gesetzesvorhaben würden die Bürger ihre Abgeordneten aus genau der Verantwortung entlassen, in die sie sie hineingewählt haben. Umgekehrt könnten sich die Politiker zurücklehnen und die Verantwortung ans Volk zurückgeben. Aber das hat einen großen Hang zum Bewahren,und was, wenn es dem immer wieder folgt und per Begehren Neuerungen verhindert? Das ist keine verantwortungsvolle Politik. Ariane Bemmer

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