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Berlin: Soll es ein Alkoholverbot auf der WM-Fanmeile geben?

Betrunkene sind unwiderstehlich. Aber leider nur für sich selbst.

Betrunkene sind unwiderstehlich. Aber leider nur für sich selbst. Wer als Nüchterner in der Bahn je zwischen die heimkehrenden Horden nach einem Fußballspiel geraten ist, der hat sich wohl gewünscht, entweder anderswo oder wenigstens auch betrunken zu sein, um das auszuhalten. Dass die BVG nach manchem Fußballfest den einen oder anderen Zug aus dem Verkehr ziehen und für ein paar tausend Steuer-Euro reparieren muss, resultiert wohl weniger aus den Gefühlswallungen der nüchternen Fans. Und wenn in der nächtlichen Großstadt mal wieder jemand was auf die Nase kriegt, passiert das am ehesten in oder vor einer Kneipe. Das soll nicht heißen, dass jemand gleich drei Dutzend Leuten ein Messer in den Bauch stechen wird, bloß weil er betrunken ist. Aber selbst in diesem Extremfall sieht es danach aus, dass der 16-Jährige die Tat in nüchternem Zustand wohl nicht begangen hätte. Wo – wie auf der Fanmeile – Tausende aufeinander treffen, die unterschiedlicher Meinung bezüglich des gewünschten Spielausgangs sind, sollten sie besser ihren Verstand trocken halten. Wer von Vornherein weiß, dass eine Party ohne Alkohol nicht lustig werden kann, bleibt besser gleich zu Hause. Das Argument, dass Fußball und Bier nun mal zusammengehören, mag für manche Gurkentruppe in der Regionalliga sogar zutreffen. Aber bei der WM werden die Spiele schon nicht so lausig sein, dass man sie sich schön saufen muss.

Diesen Titel kann uns keiner mehr wegnehmen: Weltmeister der Gründlichkeit. Andere Nationen mögen sich im Laisser-faire gefallen, hier in Deutschland jedenfalls wird reguliert, kompromisslos und gegebenenfalls alkoholfrei, basta. Das mag angehen, wenn wir unter uns bleiben, aber nun haben wir die Welt zu Gast, machen uns ihre Völker mit einer Null-Promille-Grenze für die Fanmeile aber garantiert nicht zu Freunden. „Diese Deutschen“, wird dann hinterher gespöttelt, „die können vielleicht Fußball spielen, feiern können sie nicht.“ Das könnte uns schnuppe sein, es ist ja nicht zu leugnen, dass Alkohol enthemmt, Zügellosigkeit, Exzesse gar begünstigt. Andererseits ist nicht einzusehen, warum Hunderttausende maßvoller Zecher für eine Hand voll radikaler Suffköppe in alkoholfreie Sippenhaft genommen werden. Warum muss man wegen weniger schwarzer Schafe gleich die ganze Herde scheren, eingesperrt ist sie doch ohnehin – mit Einlasskontrollen, Wegnahme gefährlicher Gegenstände oder Waffen, Polizeistreifen auf dem Gelände. Aber wir sind ja in Deutschland, da muss alles doppelt und dreifach gesichert sein, als Schutz gegen jegliche Eventualität. Bei früheren Weltmeisterschaften genügten Schienbeinschoner für die Spieler, wir dagegen wollen Ärmelschoner für alle. Die Folge wäre eine hundertprozentig durchorganisierte, aber gerade dadurch im Spaßfaktor reduzierte Veranstaltungsreihe. Das haben die Völker der Welt wirklich nicht verdient. Wir auch nicht. Andreas Conrad

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