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Berlin: Sommer gegen Winter

Herthas Amateure bereiten sich unter türkischer Sonne auf die Oberliga vor, Spitzenreiter Schönberg 95 bleibt zu Hause im Matsch

Von André Görke und

Michael Rosentritt

Stunden könnte man dort stehen, am Mittelmeer, und einfach den Wellen zuhören. Am Küstenhang liegt das „Sirene Golf Hotel“, wenige Meter vom Strand entfernt. Für den Ausblick von dort oben haben die Männer da auf dem Fußballplatz am Hotel nicht viel übrig. Es ist Nachmittag, und die Spieler wollen auf ihr Zimmer. Die Amateure des Bundesligisten Hertha BSC trainieren in der Stadt Belek, südöstlich von Antalya. Fünf Sterne hat das Hotel, drei Pools, zwei Golfplätze. Aber Urlaub ist das nicht. Herthas Amateure bereiten sich auf die Rückrunde der Oberliga vor. Jeden Tag stehen zwei Einheiten auf dem Programm. Am Abend sind sie nur noch müde.

Bundesstraße 104, östlich von Lübeck, vor wenigen Tagen: Hier trainieren die Fußballer des FC Schönberg 95, dem Oberliga-Spitzenreiter. Aber was heißt schon Training? Der Platz ist verschneit. „Das macht da keinen Sinn“, sagt Schönbergs Trainer Christian Schreier. „Kommen Sie mal lieber nach Bad Schwartau, wir sind im Kur-Zentrum.“ Am Abend sitzt Schreier im Restaurant „Olive“. Früher hat er in der Bundesliga gespielt, für Düsseldorf, Bochum und Leverkusen. Sogar ein Länderspiel hat er bestritten. Jetzt sitzt er da auf einem Stuhl, rührt in seinem Kaffee und weiß nicht „was ich mit den Jungs anstellen soll“. In die Türkei wäre er auch gerne gefahren, keine Frage, „aber meine Jungs arbeiten. Wenn ich sage: Hey, wir fahren zehn Tage weg, müssten die Urlaub beantragen“. Das Training steigt an diesem Abend in der „Holstein-Therme“. Kostenlos sei das nicht, für die Jahreskarte müssten die Spieler selbst zahlen, „aber ein bisschen Profibedingungen müssen doch sein, oder?“ Als die Spieler eintreffen, sind sie gestresst. Vom Arbeitstag, vom Berufsverkehr.

In der Türkei können Herthas Amateure abschalten. Es ist still auf der Terrasse. Manche lesen ein Buch, andere schlafen auf ihren Zimmern. Wer will, geht zur Massage. In den letzten Tagen haben sie um 18.30 Uhr mit den Profis gemeinsam zu Abend gegessen. Leichte Kost gab es da. Fisch, Reis, Nudeln. Um 22.30 Uhr ist Bettruhe, am nächsten Tag wird schließlich trainiert.

In der „Holstein-Therme“ wird die Stimmung schlechter. Die Waldwege im „Schwartautal“ sind zwar nicht mehr mit Schnee bedeckt, dafür aber mit einer Eisschicht. „Also, Männer, wir trainieren oben“, sagt Schreier. Oben – das ist ein kleiner Raum, in dem sich 23 Männer tummeln. Eng ist es, schlecht belüftet, und wenn die Spieler auf dem Betonboden herumhüpfen, müssen sie aufpassen, dass sie nicht gegen die Deckenlampe knallen. „Wir hören lieber auf“, sagt Schreiers Assistent. „Den Jungs tun ja die Gelenke weh.“ Im Schwimmbad soll es besser sein. „Aquajogging ist ’ne tolle Sache. Die sollen mal ihren Kreislauf anregen.“ Als Schreier das Schwimmbad sieht, sagt er leise: „Ach du Scheiße.“ Das Becken ist nicht viel größer als ein mittlerer Büroraum. An manchen Tagen schaut Schönbergs Manager Georg Müller vorbei. Nee, bei uns geht immer noch nichts, sagt er. „Selbst wenn der Schnee weg ist: Unsere Flutlichtanlage ist nich’ so dolle.“

Für die Amateure von Hertha BSC ist so ein Trainingslager Routine. Zum vierten Mal sind sie in die Türkei gereist. Sie sind die Zukunft des Vereins, deshalb investiert Hertha jährlich zweieinhalb Millionen Euro in seinen Nachwuchs. Seit eineinhalb Jahren hat Hertha sogar ein eigenes Internat. Die Amateure sollen in die drittklassige Regionalliga aufsteigen, damit der Abstand zu den Profis geringer ist. In der Oberliga stehen sie zwei Punkte hinter dem FC Schönberg. Am Dienstag werden sie nach Berlin zurückkehren.

In Schönberg liegt der Jahresetat bei einer halben Million. Manager Müller erklärt: „Wenn die Spieler ins Trainingslager wollen, müssen sie einen Teil selbst zahlen.“ Ein Spieler verdient hier 350 Euro – plus 100 Euro Siegprämie. Viele Spieler des FC Schönberg sind bei Hauptsponsor „Palmberg“ angestellt, einem Büromöbel-Vertrieb. Stefan Purtz etwa ist „Verkaufsleiter Schleswig Holstein“. Sein Arbeitsbereich macht neun Millionen Euro Umsatz im Jahr. „Der kann nicht einfach mal abhauen“, sagt Müller. Der Schnee ist auch in Schönberg geschmolzen. Wie Schreier die verlorene Zeit aufholen soll, weiß er noch nicht. In zwei Wochen findet das erste Oberliga-Spiel statt. Der letzte Test gegen Borussia Lübeck ist wenigstens nicht ausgefallen, „die echten Gegner kommen jetzt – wenn nichts dazwischenkommt“, sagt Schreier. Hertha ist da einen Schritt weiter. In der Türkei haben die Amateure gegen Dynamo Moskau gespielt – und nicht einmal verloren.

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