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Die Reste eines Sommertages am Landwehrkanal.

© Paul Zinken/dpa

Sommer in Berlin: Zur Hitze gesellt sich der Gestank

Chemische Reaktionen sind bei Hitze doppelt so schnell, deshalb stinkt es bei der Hitze jetzt besonders von Müllplätzen und aus Abwasserkanälen in Berlin. Die Erklärung ist einfach, Abhilfe nicht.

Die Berliner Luft kann ziemlich anstrengend sein in diesen Tagen. Zur Wärme kommt an vielen Stellen ein Geruch, der irgendwo zwischen verstopfter Toilette, faulen Eiern und geplatztem Müllbeutel angesiedelt ist. An den klassischen Luftschadstoffen wie Feinstaub und Stickoxiden liegt es nicht. Wer dem Phänomen nachspürt, stellt fest, dass die Ursachenforschung einfacher ist als die Abhilfe.

Für jede Art von hitzebedingtem Gestank gilt, dass er irgendwas mit Feuchtigkeit zu tun hat. Den ultimativen Beweis liefern die Biotonnen, in denen die organischen Abfälle zurzeit besonders heftig gären. Etwas lindern lässt sich das Problem durch saugfähige Beigaben wie (alte!) Zeitungen, die Feuchtigkeit aus dem Abfall aufnehmen. Der wird auch durch Belüftung trockener. Die gelingt beispielsweise, indem der Bioabfall in einem geeigneten Gefäß (die BSR verkauft Bio-Eimer mit perforierten Deckeln) gelagert oder – sofern Nachbarn oder Wespen keinen Ärger machen – der Tonnendeckel einen Spalt offen gelassen wird. Filter wurden nach ausgiebigem Test dagegen für ineffektiv befunden, heißt es bei der BSR. Tonnen mit Pedal werden zurzeit noch erprobt. Bis dahin bleibt nur: Arme lang und Nase zu beim Öffnen der Tonnen.

Schwitzen kann nur, was feucht ist

Damit der Abfall nicht schwitzt, sollten die Tonnen möglichst im Schatten stehen. Und schwitzen kann nur, was feucht ist. Bei hohen Temperaturen sind Mikroorganismen besonders aktiv, sodass auch mehr stinkende Zersetzungsprodukte entstehen. Typische Fälle sind Schwefelverbindungen und organische Säuren wie Buttersäure, die als besonders widerlich empfunden werden.

Das gilt nicht nur für den Müll in der Tonne, sondern auch für Abfälle im Kleinen wie Essensreste am Geschirr, die die Spülmaschine in der warmen Wohnung besonders schnell müffeln lassen. Und es gilt für die Kanalisation, die wegen des gesunkenen Wassergebrauchs der vergangenen Jahre nicht mehr ausgelastet ist. Nach Auskunft der Wasserbetriebe (BWB) ist zwar der Absatz von Frischwasser bei der aktuellen Hitze relativ hoch, aber der Mehrbedarf wird eher in Gärten verteilt und erreicht die Kanalisation gar nicht erst. Dort fließen also Fäkalien und Abwässer so träge wie immer – aber die Bakterien stürzen sich mit einer Begeisterung darauf wie sonst nie.

Chemische Reaktionen werden bei Erwärmung schneller

Für chemische Reaktionen gilt die Faustregel, dass sie bei zehn Grad höherer Temperatur doppelt so schnell ablaufen. Das gilt mit Einschränkungen auch für die biochemischen Prozesse, die sich in Tonnen und Kanälen abspielen.

Eine Einschränkung ist beispielsweise, dass auch Bakterien frische Luft brauchen. Wird der Sauerstoff knapp, verändern sich die Prozesse – und es stinkt anders. Ein typischer Fall sind „umgekippte“ Gewässer, in denen die Mikroorganismen gewissermaßen in der Nahrung ersticken, die ihnen in Gestalt von Tier- und Pflanzenresten sowie Dünger aus Landwirtschaft und Klärwerken serviert wird. Verstärkt wird dieser Effekt, weil warmes Wasser weniger Sauerstoff aufnehmen kann als kaltes. Deshalb schnappen Fische bei Hitze nach Luft und leben Forellen am liebsten in eisigen Bächen.

Die meisten Berliner leiden offenbar still unter den Gerüchen. Die Wasserbetriebe melden seit Jahresbeginn erst 50 Beschwerden wegen stinkender Kanäle; 2014 seien es allein im Juli 61 gewesen. Traditionelle Schwerpunkte seien Winterfeldtplatz, Ku’damm und Alexanderplatz.

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