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Berlin: Sommer, Sonne – und kein Hitzefrei

Heute rechnen Meteorologen mit 36 Grad und mehr. Der Asphalt wird weich, Fische sterben, aber die Berliner bleiben cool

Kein Wind, keine Wolken und die Sonne heizt der Stadt ein, Menschen und Material leiden. Knapp 32 Grad waren es gestern. „Mit 36 Grad oder mehr“ rechnet Jürgen Heise vom Dahlemer Institut für Meteorologie für den heutigen Donnerstag. Das wäre Rekord in diesem Jahr. Überhaupt: Nur der Juli 1994 war in den vergangenen 100 Jahren heißer. Und der 94-er Rekord könnte noch eingestellt werden – der Monat ist ja noch nicht um.

Wer da nur noch stöhnt, dem rät Heise zur Flucht nach Spandau oder Köpenick. In den grünen Außenbezirken werden nachts nur elf Grad gemessen – gegenüber 20 Grad in Mitte oder Kreuzberg. Das liegt an dem vielen Beton und Stein in der City – sie speichern die Wärme und strahlen sie nachts wie ein Ofen ab.

Tagsüber ist es in Berlin überall ähnlich heiß, so heiß, dass sogar der Asphalt weich wird. Dann können sich Spurrinnen bilden. Aber keine Sorge: In Flammen geht das Mineralölprodukt erst ab 600 Grad auf.

Den härtesten erdenklichen Job bei dieser Hitze erledigte die Berliner Feuerwehr am Dienstag: Bei Außentemperaturen von 30 Grad stiegen die Männer in ihre 50 Kilo schwere, luftdichte Ausrüstung, um in Spandau ein etwa 1000 Grad heißes Feuer zu löschen. Zehn Stunden dauerte es, bis die Flammen auf einem Hausdach aus waren. 350 Männer wechselten sich bei dem Einsatz ab – bei normaler Witterung hätten 100 ausgereicht. Aber was ist normal an diesem Sommer, der Berlin heute auch den bundesweiten Temperaturrekord bringen könnte?

Bei der Hitze hilft nur eins: ins Wasser springen. Dabei sollte man aber einen kühlen Kopf bewahren. Wer mittags ein kaltes Bierchen zum Schweinebraten genießt, sollte vorher einen Mittagsschlaf halten – rät die Senatsverwaltung für Gesundheit. Auf keinen Fall zur Nachahmung empfohlen: Mit Alkohol im Körper und daher geweiteten Blutgefäßen in unbekannte Gewässer springen. Die schlagartige Abkühlung kann den Kreislauf überfordern und böse enden. Die Feuerwehr konnte Montag einen 38-Jährigen nur tot aus dem Weißen See bergen.

So richtig wohl im Wasser fühlen sich dieser Tage nicht mal die Fische. Das liegt aber nicht an den Wassertemperaturen, sondern an den Algen. Diese ziehen nachts Sauerstoff aus dem Wasser, und das ist tödlich für die Fische, so Jens Puchmüller vom Berliner Fischereiamt. Auch die vielen Fische, die kürzlich von der Feuerwehr aus dem Dianasee in Grunewald entfernt wurden, verendeten an Sauerstoffmangel. Ursache war hier der Platzregen am 7. Juli: Die Kanäle konnten das viele Wasser – so viel wie in einem ganzen Julimonat sonst fällt – nicht aufnehmen. Das sauerstoffarme Wasser strömte ungeklärt ins Gewässer.

Die Hitzewelle kann aber auch neues, in Berlin bisher unbekanntes Leben erzeugen: 25 Millimeter kleine Quallen tauchen im Jungfernsee und im großen Wannsee auf. Die Quallen sind ungefährlich. Sie bilden sich bei großer Hitze an Stängeln und Steinen im Seegrund.

Und die Berliner? Sie trotzen der Hitze. Geringe Ozon-Werte erleichtern es ihnen. Beim Senat weiß man nichts von mehr Todesfällen als üblich unter älteren Menschen mit schwachem Kreislauf. Im Straßenverkehr kracht es nicht häufiger als sonst, meldet die Polizei. Sogar die Arbeitnehmer finden sich damit ab, dass es Hitzefrei nur zu seligen Schulzeiten gab. Nicht einmal der Wasserverbrauch steigt dramatisch an: 800 Millionen Liter liefern die Wasserbetriebe täglich – erst ab einer Milliarde Liter wird es allmählich eng.

Übrigens: In Berliner Bahnen muss man auch künftig schwitzen. Die S-Bahn denkt zwar an den Einkauf klimatisierter Wagen – aber frühestens 2010. Für U-Bahnen ist das aus Kostengründen ausgeschlossen – „und weil sie in Tunneln fahren, heizen sie sich nicht so auf“, sagte ein BVG-Sprecher.

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