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Kampfarena für Besserwisser. Einige Eltern führen sich im Klassenzimmer seltsam auf.

© Stefan Sauer/p-a/dpa

Sommerferien in Berlin: Endlich Elternabend-frei!

Das Schönste an den Ferien? Sechs Wochen lang keine Treffen voller Schuldzuweisungen und skurriler Vorschläge. Wo es um Kinder gehen soll, zicken sich Erwachsene an – dabei könnten die Versammlungen gewinnbringend für alle sein. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Claus Vetter

Neulich erzählte mir eine befreundete Mutter, dass sich auf einem Elternabend an ihrer Grundschule Eltern beschwert hätten. Der Unterricht, so die Klage, beginne so früh am Morgen, dass die Kinder vor der Schule nicht mehr fernsehen könnten. Vor dem Kindergarten sei das noch gegangen. Außerdem echauffierten sich die Fernseh-Eltern darüber, dass andere Kinder, die schon lesen können, andere Bücher bekommen als ihre Kinder, die noch nicht lesen können. Von einer weiteren Mutter weiß ich, dass sie mahnte, andere Familien sollten bei Geburtstagen künftig doch bitte nur vegane Süßigkeiten mitbringen und bitte nur nachhaltiges Spielzeug. Also keine Luftballons.

Ich kenne zahlreiche skurrile bis beklemmende Elternabend-Geschichten wie diese, habe auch selber schon genug davon erlebt, die ich aus Gründen des Selbstschutzes hier lieber verschweige. Seit Mittwoch sind nun für sechs Wochen Sommerferien, und viele Eltern finden bestimmt: Das Beste daran ist die damit einhergehende Elternabendpause.

Auch wenn man mit Elternabend-Anekdoten eigentlich immer und überall für Erheiterung sorgen kann: Im Grunde ist tragisch, was da passiert. Je älter die Kinder werden, desto mehr scheinen die Abende zum Spielplatz für die Erwachsenen zu werden, die quengeln und zicken und einfordern, dass man meint, hier haut gleich der eine den Nächsten mit der Sandschaufel.

Für einige Eltern scheint es nur Gut und Böse zu geben

Ein Klassenzimmer kann aber auch schnell zum Gerichtssaal werden, wenn sich Mütter und Väter als die Anwälte ihrer – meist absolut perfekten – Kinder begegnen. Sie fühlen sich benachteiligt, prangern schonungslos an und beißen alles und jeden weg, der ihrem Kind oder dessen Karriere im Weg steht. Soll das doch schließlich alles erreichen, woran die Eltern gescheitert sind.

An der Schule meines Sohnes raufen die Kinder ganz normal auf dem Schulhof, wie überall. Na gut, sogar etwas weniger. Trotzdem höre ich oft Beschwerden: „Ihr Sohn hat meinem Sohn die Fußballbilder geklaut.“ Das ist möglich, sage ich. Und tut mir leid für Ihren Sohn, der sicher aktiv nicht zur Entstehung dieses ungeheuerlichen Vorfalls beigetragen hat und völlig unschuldig ist? Für einige Eltern scheint es nur Gut und Böse zu geben.

Dabei könnte es so gewinnbringend für alle sein. Wäre es doch viel lohnender, mit anderen Eltern darüber zu diskutieren, was sie machen, wenn ihr Kind sich weigert, das elektronische Endgerät nach einer Stunde freizugegeben. Oder wie viel Geld sie im Monat in Pokemon-Karten investieren. Elternabende können ein Fundament für weitere Abende mit Eltern sein. Im Kindergarten zum Beispiel verstanden sich in unserem Fall alle so gut, dass ein „Väter-Stammtisch“ initiiert wurde. Treffpunkt Eckkneipe, Themen Bier und Fußball, und natürlich, ob die Kinder (ehrlich gesagt die Söhne) später gute Fußballer werden.

20 Eltern im eigenen Wohnzimmer - ein Horrorszenario?

Es muss natürlich nicht die Kneipe sein, aber manchmal hilft ein anderer Rahmen tatsächlich, alles auf eine verbindlichere, freundlichere Ebene zu heben. Einmal haben wir sogar einen Elternabend bei uns zu Hause abgehalten. Noch heute träume ich manchmal davon: Das Kind schläft endlich, ich gehe die Treppe hinunter, in meinem Wohnzimmer sitzen 20 Eltern und diskutieren über den neuen Sandkasten. Das mag für manchen ein Horrorszenario sein, aber es kann sich ganz anders anfühlen, wenn alle sich lockern, konstruktiv und angeregt unterhalten.

Na klar, Elternabende haben ihre Daseinsberechtigung! Alle Mütter und Väter wollen schließlich wissen, wie es ihren Kindern in der Schule ergeht und wann endlich die neue Tafel kommt. Aber diese Gelegenheiten sollten weder Kampfarena noch Wunschkonzert sein. Sondern irgendwas dazwischen – genau wie Schule auch.

Um die Gemüter zu besänftigen, hilft manchmal eine Bolzerei auf dem Hof mehr als jeder pädagogisch moderierte Klassenrat. Auf dem Schulfest meines Sohnes vor Ferienbeginn haben Eltern und Schüler gegeneinander Fußball gespielt. Das war befreiend. Am Ende hatten alle gute Laune. Denn die Eltern – alle Eltern gemeinsam – haben gewonnen.

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