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Berlin: Sonja Lüneburg in Bernau beerdigt

Für die Stasi hatte sie im Vorzimmer von Minister Bangemann spioniert

Bernau. Zwanzig Jahre lang spionierte sie für die Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) des Ministeriums für Staatssicherheit in Bonn und Brüssel und galt als eine der erfolgreichsten Agentinnen der DDR. Gestern mittag wurde die 1926 geborene Johanna Olbricht alias Sonja Lüneburg in Bernau bei Berlin beerdigt. Über 200 Trauergäste, Freunde, Verwandte und vor allem ehemalige Kollegen der HVA, unter ihnen Lüneburgs frühere Chefs Markus Wolf und Werner Großmann, hatten sich eingefunden. Wolf würdigte in der Trauerrede Olbrichts „große Verdienste“ im Geiste des Antifaschismus für die DDR, deren Schattenseite, so Wolf, sie allerdings auch gekannt habe.

Als Sonja Lüneburg war Olbricht Mitte der 60er Jahre von der HVA in den Westen geschickt und bei dem Bundestagsabgeordneten der FDP William Borm eingeschleust worden. Dieser war ebenfalls als IM im Einsatz. Sonja Lüneburg wurde von Markus Wolf persönlich instruiert. Nachdem Borm aus dem Bundestag ausschied, gelang Lüneburg der Sprung ins Vorzimmer der FDP-Generalsekretäre Karl-Hermann Flach und Martin Bangemann. Zu ihnen entwickelte sie gar ein Vertrauensverhältnis. Bangemann nahm sie mit nach Brüssel und 1984 als Wirtschaftsminister wieder mit nach Bonn – Sonja Lüneburg wurde eine der wichtigsten HVA-Quellen im Umfeld des damaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl. Im August 1985 wurde sie jedoch, da Ost-Berlin ihre Enttarnung Lüneburgs befürchtete, in die DDR zurückbeordert, wo sie einst als Lehrerin tätig war. Erst nach der Wende konnte ihre wahre Identität enthüllt werden. Eine Haftstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten wurde 1994 zur Bewährung ausgesetzt.

Trauergäste hoben am Donnerstag ihre Menschlichkeit und ihren „Einsatz für Frieden und Gerechtigkeit“ hervor. „Wir werden dich nie vergessen, so lange wir leben“, so Markus Wolfs letzte Worte am Grab.

Benedict Maria Mülder

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