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Ohne Brille geht gar nichts. Wer die morgige Sonnenfinsternis ohne geeigneten Schutz betrachtet, sollte gleich einen Termin mit dem Augenarzt vereinbaren.

© Nietfeld/dpa

Update

Sonnenfinsternis über Berlin: CD als Schutzbrillen-Ersatz umstritten

Sonnenfinsternis ohne passende Ausrüstung? Da muss man sich zu helfen wissen. Klar ist allerdings: Eine Schweißerbrille oder vom Ruß geschwärztes Glas sind gefährlich. Aber so verrückt wie 1999 wird es diesmal ohnehin kaum werden.

„Selten hat ein Naturereignis in Berlin ein so reges Interesse hervorgerufen wie die gestrige partielle Sonnenfinsternis, die gegen 14 Uhr bei günstigem Wetter die Stadt in ein fahles Licht tauchte. Auf den Straßen sah man überall Gruppen von Passanten, die mit berußten Scheiben und Filmnegativen nach oben schauten. Bei sensiblen Naturen machte sich in den Minuten der stärksten Verdunkelung (88 Prozent der Sonnenscheibe verdeckt) eine gewisse Nervosität bemerkbar.“

Man staune! Ganze 88 Prozent, über die der Tagesspiegel am 1. Juli 1954 recht nüchtern, von dieser Zahl alles andere als geblendet, berichtete. Dagegen ist die 74-prozentige Sonnenfinsternis, die uns am Freitagvormittag bevorsteht, genau besehen nur Kleinkram. 87 Prozent Finsternis waren es selbst am 11. August 1999, als in Berlin zuletzt solch eine Himmelserscheinung bewundert werden konnte.

Vor 16 Jahren verkaufte Fielmann 150 Spezialbrillen in 20 Minuten

Liegt es an den fehlenden 13 Prozentpunkten, dass sich diesmal das „Sofi“-Fieber nicht recht einstellen will? Dass die potentiellen Anbieter von Schutzbrillen den Termin, wie man hört, weitgehend verschlafen haben? Vor 16 Jahren war das anders. Aus einer Fielmann-Filiale wurde berichtet, dass in 20 Minuten 150 der Spezialbrillen mit ihrer metallbedampften Folie über den Ladentisch gingen. In einem anderen Fachgeschäft war sogar von 7000 zu 3,90 Mark verkauften Brillen die Rede.

Eine Investition, zu der jedem, der sich solch ein Open-air-Spektakel nicht entgehen lassen will, dringend geraten wurde, wenngleich man von ärztlicher Seite damals auch warnte, 100-prozentige Sicherheit gebe es nur, wenn man wegschaue.

Wer ungeschützt in die Sonne sieht, verbrennt sich die Netzhaut

Was aber tun, wenn der wie diesmal angebotsarme Markt praktisch leergefegt ist? Manch einer versorgt sich im Baumarkt mit einer Schweißerbrille, was zwar besser ist als nichts, aber doch „etwas hell“, wie Uwe Kraffel, Landesvorsitzender des Berufsverbandes der Augenärzte, warnt. Auch reguläre Sonnenbrillen seien völlig ungeeignet. Kraffel rät zu unbelichteten, schwarzen Diafilmen – aber wer hat die schon noch zur Hand. Als Alternative nennt er CDs, noch unbespielt. Und er sagt auch, was passiert, wenn man ungeschützt in die teils verdeckte Sonne guckt: „Die Stelle des scharfen Sehens auf der Netzhaut wird verbrannt, es entsteht ein schwarzer Fleck.“ Ein Defekt, den man früher oft bei Kampfpiloten feststellte, die von ihren Gegnern mit Vorliebe aus der Sonne heraus angegriffen wurden und daher immer wieder die gelbe Scheibe anblinzelten. Vor einem warnt der Augenarzt besonders dringlich: die Sonnenfinsternis fotografieren, womöglich gar mit Teleobjektiv. Ganz falsch!

Dagegen sagt Ingo Rütten, Pressesprecher vom Zentralverband der Augenoptiker (ZVA), er halte nichts von unbelichteten Diafilmen und unbespielten CDs; auch diese schädigen ihm zufolge das Auge. Was das ruß-geschwärzte Glas angeht, sind sich Optiker und Augenarzt allerdings einig: „Man kann nie sicher sein, dass der Ruß gleichmäßig dick auf dem Glas verteilt ist“, sagt Kraffel.

Aber so „Sofi“-verrückt wie 1999 dürften die Berliner kaum auf die anstehende Dunkelheit reagieren. Damals hatte der Hype ganz Deutschland erfasst, besonders hoch her ging es im Raum Stuttgart: Dort war es extra-duster.

In Berlin war der Teufelsberg einer der Sammelpunkte der „Sofi“-Gucker. Rund 2000 dieser Spezies feierten dort. Auch auf den Straßen bildeten sich nach oben starrende Menschentrauben, und die Cafés am Gendarmenmarkt glichen einer Sonnenterrasse in den Alpen: Überall glitzerten die Spezialbrillen. Morgen könnte es, was das Wetter betrifft, wieder so sein. Ein paar durchziehende Wolkenfelder vielleicht, aber insgesamt mit großer Wahrscheinlichkeit freie Sicht nach oben. Fehlen nur noch die Brillen.

Am Freitag ab 9 Uhr wird das Ereignis in der Archenhold-Sternwarte, Alt-Treptow 1, live erklärt, zudem stehen Teleskope bereit (6 Euro). Von 9.15 bis 12 Uhr bietet das Planetarium am Insulaner, Munsterdamm 90, betreute Beobachtung mit Kurzvorträgen an (7 Euro). Das Zeiss-Großplanetarium in Prenzlauer Berg bietet wegen Sanierungsarbeiten kein Programm.

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