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Berlin: Sonntags um 10: Drei Mal Anfang

Das im Gottesdienst dreifach variierte Leitmotiv des Anfangs ist so stark, dass in der evangelischen Philippus-Kirche in Friedenau das Motto aus dem Kirchenjahr für diesen Sonntag - "Jubilate" - nur indirekt zum Tragen kommt. Anfang: Da ist zunächst die Taufe des kleinen Jannik, da ist der Predigtext, die sieben Tage aus der Schöpfungsgeschichte (Genesis 1,1-2,3) - und da ist ein 90.

Das im Gottesdienst dreifach variierte Leitmotiv des Anfangs ist so stark, dass in der evangelischen Philippus-Kirche in Friedenau das Motto aus dem Kirchenjahr für diesen Sonntag - "Jubilate" - nur indirekt zum Tragen kommt. Anfang: Da ist zunächst die Taufe des kleinen Jannik, da ist der Predigtext, die sieben Tage aus der Schöpfungsgeschichte (Genesis 1,1-2,3) - und da ist ein 90. Geburtstag eines betagten Pfarrers, mit dem sich die Gemeinde seit langem sehr verbunden fühlt.

"Anfang" zum 90. Geburtstag? Rudolf Weckerlings Lebensweg war von Anfängen und Aufbrüchen begleitet, und das jüngste In-Angriff-Nehmen von etwas Neuem im Leben des Jubilars beginnt gerade, seine Kreise zu ziehen. Weckerling, der seit einer Begegnung mit Dietrich Bonhoeffer Verfechter der pazifistischen "Bekennenden Kirche" war, hat mit seinem Vermögen in eine Stiftung gegründet, die die Arbeit der Aktion Sühnezeichen unterstützt.

Bei der Taufe zu Beginn des Gottesdienstes, bei dem nicht nur die Eltern und Paten um das Taufbecken stehen, sondern auch die vielen Kinder, die in der Kirche sind, spricht Pfarrerin Valerie Hamra deutliche Worte. In der Taufe, so macht sie der Gemeinde klar, liegt ein dreifaches Versprechen: Ein Versprechen Gottes an den Täufling, ein Verspechen der Eltern und Paten, das Kind im Glauben zu erziehen, und auch ein Versprechen des neu aufgenommenen Christen, später seiner Aufgabe und Verantwortung gerecht werden zu wollen.

Den zweiten Anfang markiert der emeritierte FU-Theologieprofessor Friedrich-Wilhelm Marquardt, der zu Ehren seines Freundes Rudolf Weckerling die Predigt übernommen hat. Seine Auslegung des Schöpfungsberichts ist fast eine dreifache Predigt - nicht nur, weil er drei große Gedankenstränge aufbaut, sondern auch, weil sie entsprechend lange dauert. Die biblischen sieben Tage, so seine erste Überlegung, sind nur ein Anfang, ein Versuch Gottes, einen Anfang zu machen, die "Irrsal und Wirrsal" (Martin Buber) zu brechen - und ein Auftrag an die Menschen, das Werk weiterzuführen.

Die sieben Tage als feste Struktur sind die überschaubare Grundeinheit menschlichen Handelns in der Begleitung Gottes: das ist die zweite Überlegung, in der eine Kritik am verkaufsoffenen Sonntag (so gut sie zum Predigtext passen würde) keinen Platz findet - in St. Philippus geht es um sehr viel Abstrakteres, Grundlegenderes. Im dritten Teil der Predigt geht Marquardt den zehn Zusprüchen Gottes an seine Schöpfung nach und entwickelt mit Zitaten vor allem aus dem Neuen Testament zehn neue "Gebote". Aus der Aussage "Es werde Licht" wird so Christi Anspruch "Ihr seid das Licht der Welt." Dass an diesem Sonntag "Jubilate" ist, dass er unter der im Psalm formulierten Aufforderung "Jauchzet" steht, wird nicht nur in einem wunderschönen Kanon von Michael Praetorius von 1610 deutlich, den die an diesem Sonntag ziemlich große Gemeinde beherzt zweistimmig singt. Sondern auch in der kritischen Bemerkung, die Marquardt gleich zu Beginn seiner Predigt macht: "Auch wir Christen neigen dazu, uns eher der Schöpfung zu freuen als ihres Schöpfers."

Jörg-Peter Rau

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