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SONNTAGS um zehn: Advent ist Aufbruch

Taufgottesdienst in der Taborkirche in Hohenschönhausen.

Die einjährige Luna trägt ein weißes Taufkleid und ein Fleecemützchen – schließlich ist es nicht ganz so warm im Altarraum der evangelischen Taborkirche in Hohenschönhausen. Auch die kleine Hermine, Karl und die zwölfjährige Natalie werden heute mit ihr getauft. Und so strömen Familien, Taufpaten und Gemeindeglieder in die alte Dorfkirche. Ein Meer an Mützen füllt die engen Gänge, und nicht selten hört man: „Hast du mir einen Platz freigehalten?“ Etwa 110 Menschen passen in die zweitkleinste Kirche der Stadt: Die Glocken haben bereits aufgehört zu läuten, Klappstühle werden aufgestellt und füllen sich ruckzuck. Wer jetzt noch kommt, muss stehen.

Das Gebäude aus dem 13. Jahrhundert mit seinen Wänden aus Feldsteinen und dem roten Ziegeldach steht in starkem Kontrast zur Umgebung: Gleich dahinter schießt ein 20-Geschosser aus dem Boden, auf der anderen Seite der großen Kreuzung gähnen die leeren Fenster eines ehemaligen Wohnheims für vietnamesische Gastarbeiter in der DDR – graue, mit Graffiti besprühte Wände. In der Nähe befindet sich auch das frühere Stasigefängnis; viele der umliegenden Gebäude sind von einstigen Stasimitarbeitern bewohnt. Pfarrerin Christina Trodler war bei ihrem Umzug vor sieben Jahren aus Erkner überrascht, wie stark „sie immer noch die Stimmung im Bezirk dominieren“.

Daher predigt sie gern von Aufbruch, auch heute: „Wir feiern im Advent die Hoffnung. Wir können spüren, wie Gottes Herrlichkeit auf die Erde kommt und welche Kraft davon ausgeht.“ Jeder stünde mit seiner Lebensgeschichte, seinen Erwartungen und Wünschen vor Gott: „Niemand weiß, was der nächste Tag bringt: Aber wir können ihn in seine Hände legen, Mut fassen und die Hoffnung hinaustragen“, sagt sie. Und Christina Trodler meint diesen Auftrag ernst: Sie erzählt, wie sich die Gemeinde langsam verändert, weil neue Leute zuziehen. „Das bringt neues Selbstbewusstsein, hier ein anderes Umfeld zu prägen“, sagt sie.

Auch Arnim Tobehn ist neu im Bezirk; er hat – wie viele andere auch – ein Einfamilienhaus in Alt-Hohenschönhausen gekauft. „Zwei von uns vier Brüdern sind vor ein paar Jahren in den Osten rübergemacht“, erzählt sein Bruder aus Rudow und lacht. Tobehns Tochter Luna schaut mit großen Augen, als ihr die Pfarrerin Wasser auf die Stirn sprenkelt; mit Zuversicht, Kraft und Schutz soll sie gesegnet sein. Die Taufe sei wie der erste Advent ein sichtbarer Neuanfang: der Aufbruch in ein Leben, das bewusst aus der Hoffnung schöpft. Katrin Arnholz

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