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SONNTAGS um zehn: Du sollst

Eine Predigtreihe zu den „Zehn Geboten“ in Mitte.

Joachim Muhs schont die Christen, die an diesem Sonntag in die französische Friedrichstadtkirche gekommen sind, nicht. Harsch geht er mit den Götzen und Göttern, Idolen und Stars dieser Tage zu Gericht. Er warnt vor religiösen oder politischen Führern, vor Heilspropheten oder Demagogen und kritisiert das Wachstumsstreben der Finanzmärkte. Aber auch den Rücktritt des Bundespräsident spricht der Theologe an: „Wir haben gerade in der vergangenen Woche erlebt, wie nah Aufstieg und Fall beieinanderliegen, bei den Göttern von Glamour und Karriere“, sagt der Oberkonsistorialrat, „sie führen in höchste Ämter und über rote Teppiche, bewundert, bejubelt und manchmal beneidet.“ Auch wenn der Name Christian Wulff nicht direkt fällt: Jeder weiß, von wem hier die Rede ist.

Muhs ist an diesem Sonntag Gastprediger am Gendarmenmarkt. Die reformierte Gemeinde hat den früheren Personalchef der evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-Schlesische Oberlausitz für ihre Predigtreihe zu den „Zehn Geboten“ eingeladen. Muhs, der auch Vorsitzender des Kuratoriums der Französischen Friedrichstadtkirche ist, spricht zum ersten Gebot: Du sollst keine anderen Götter haben neben mir. Bis November soll hier einmal im Monat ein anderes Gebot im Mittelpunkt der Predigt stehen.

Für die reformierten Christen hat der Dekalog, wie die Zehn Gebote auch genannt werden, einen wichtigen Stellenwert. Im Heidelberger Katechismus, einer der Bekenntnisschriften der reformierten Kirche, gibt es eine ausführliche Auslegung der Zehn Gebote. Jeden Sonntag werden die Gebote im Gottesdienst vorgelesen. „Das tägliche Leben ist ethisch eng verbunden mit dem Bekenntnis“, erklärt der Lutheraner Muhs die Theologie der reformierten Kirche. „Das Bekenntnis lässt bestimmte Lebensweisen nicht mehr zu.“

In seiner Predigt fordert er die Gemeinde auf, sich ganz auf Gott zu verlassen. Dafür erinnert er an den Propheten Jeremia aus dem Alten Testament. „Der Gott Jeremias ging mit seinem Volk überall hin: durch Meer und Wüste, in das Exil nach Babylon, in die Diaspora des Römischen Reiches, die Ghettos des Mittelalters und selbst in die Lager von Treblinka und Auschwitz“, sagt er und ergänzt: „Die scheinbar viel größeren Götter anderer Völker werden heute allenfalls im Museum bestaunt, der Gott vom Sinai wird heute noch gehört.“

Vertiefen konnte man das dann noch beim Nachgespräch, zu dem jeder Gottesdienstbesucher herzlich eingeladen war. Barbara Schneider

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