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Mit einem Festgottesdienst wurde nach zweijähriger Renovierung die Dorfkirche Stralau wieder geöffnet.

© Ariane Bemmer

Sonntags um zehn: Festgottesdienst in der frisch renovierten Dorfkirche Stralau

In Stralau entstanden in den vergangenen Jahren vor allem Townhouses und Mini-Villen. Doch jetzt wurde am Ende der Halbinsel das uralte Gotteshaus gefeiert.

Eine wichtige und im Wortsinn grundlegende Frage ist noch offen: Warum wurde vor nunmehr 550 Jahren auf der Halbinsel Stralau so eine schöne Kirche für nur elf Fischer gebaut? Für Leute, die so arm waren, dass sie einen Pfarrer gar nicht bezahlen konnten. Ja, warum nur?

Uwe Nübel, Ingenieur von Haus aus, groß gewachsen und im hellen Anzug unterwegs, steht im warmen Sonnenlicht neben eben dieser Kirche, die er mit zurück ins Leben geholt hat, und lässt durchblicken, dass er auch diese Frage durch weiteres Recherchieren in Archiven klären wird. Aber nicht mehr an diesem Sonntag. Da wird gefeiert.

Mit einem Festgottesdienst hat nach zweijähriger Renovierung die Dorfkirche Stralau, eine der ältesten der 50 Berliner Dorfkirchen, ihre kleine Holztür wieder geöffnet. Die Freude darüber stand Nübel, Gründer des maßgeblich daran beteiligten Fördervereins, eine ganze Weile danach noch breit ins Gesicht geschrieben.

Der Kirchturm reckt sich weiß in den hohen Himmel, fast am Ende der schmalen Landzunge, hinter den vielen Neubauten, sogenannten Townhouses, Mini-Villen für moderne Großstadtkleinfamilien, teilweise mit Gitter vom Gehweg getrennt, die das heutige Bild der Gegend prägen, die erst ein Fischerdorf, dann Ausflugsort und dann ein Industriestandort war. In der kleinen noch nach Baustelle riechenden Kirche, in der lange vor zehn Uhr kein Platz mehr frei war, sah es aber nicht so homogen aus, wie die Fassaden an der Zufahrtsstraße vermuten ließen. Und auch draußen auf den zusätzlich aufgestellten Bierbänken nicht, wo das drinnen Verkündete über Boxen hörbar wurde. Junge und Alte waren gekommen, Eltern, Kinder und weißhaarige Damen und Herren. Zumeist Angehörige des Friedrichshainer Kirchenkreis Boxhagen-Stralau, wie der Ortspfarrer sagte. Nur wenige Bewohner der Townhouses seien da. Dabei will die Kirche gerade auch für sie ein Treffpunkt sein. Den gebe es nämlich heute nicht mehr, anders als Ende des 18. Jahrhunderts, als die Berliner hier ihre Sommerhäuser errichteten und später, als zwischenzeitlich 24 Kneipen existierten.

Diese Zahl kam auch in der Predigt vor, gehalten von Landesbischof Markus Dröge, der davon erzählte, dass er zu Beginn der Renovierungsarbeiten in der Kirche gewesen sei, und dort sofort etwas Besonderes erkannt habe. Weil es die Menschen selbst waren, die sich die Kirche herrichteten. Dieses Engagement sei „ein großes Geschenk“, sagte Dröge. Und auf eine Art lieferte er in seiner Predigt auch eine Antwort auf die Frage, die Uwe Nübel umtreibt. Es ging um den Fischzug des Petrus aus dem Lukas-Evangelium, als Jesus von einem Boot aus den erschöpften und glücklosen Fischern Mut macht, noch einmal rauszufahren. Nur Simon folgt dieser Aufforderung und fängt nunmehr reichlich. Daraus entwickelte Dröge eine Erzählung über die Routinen des Alltags und wie die einen gefangen hielten. Wie man lieber das Immerselbe noch mal machen sollte, statt etwas Neues zu wagen, wie Simon es tat. „Es ist Anderes möglich, wenn ihr euch traut, den festen Boden des Alltags einmal zu verlassen“, sagte Dröge. Und rief auf, das Gefühl nicht zu verlieren für die Momente, in denen es Zeit sei, nach dem Besonderen Ausschau zu halten.

Das könnte auch für Uwe Nübel gelten, der das Besondere in der kleinen Kirche am Ende der Landzunge erkannte und mit der Wende die neue Möglichkeit ergriff und einen Förderverein gründete. Und vielleicht gab es so einen Umstand auch vor 550 Jahren, so einen kostbaren Moment, in dem Besonderes möglich war, und daraus entstand dann im Elend von elf Fischerfamilien die Dorfkirche Stralau, die bis heute mit Leben gefüllt wird.

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