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SONNTAGS um zehn: Happy Birthday, Darwin!

Wie in der Neuköllner Nikodemuskirche über die Schöpfung gepredigt wurde.

Die Besucher des Gottesdienstes in der Neuköllner Nikodemuskirche wurden am Sonntag geradezu wachgetrommelt. Der Percussionist Christian Schmidhofer spielte in schon ohrenbetäubender Lautstärke, selbst die Orgel war zu Beginn kaum zu hören. Manche der rund 40 Kirchenbesucher guckten irritiert. Wachgerüttelt hatte schon Charles Darwin seine Zeitgenossen: Der Naturwissenschaftler und Theologe, dessen 200. Geburtstag vor wenigen Tagen gefeiert wurde, stand in der Nansenstraße im Mittelpunkt der Predigt von Pfarrer Jörg Gemkow.

„Für manche Menschen ist Darwin der Mann, der Gott entmachtete“, sagte der Theologe in seinem weißen Talar, der in Berlins evangelischen Gemeinden noch immer so ungewöhnlich ist wie die verwendeten Gesangbücher, die von der Gemeinde selbst erstellt wurden. Bei seiner Predigt blieb Gemkow im Wortsinn auf dem Teppich: Eine Kanzel gibt es nicht in dem Gotteshaus. „Aber ist die Rede von Gott als Schöpfer durch die Erkenntnisse von Charles Darwin wirklich widerlegt?“ Jörg Gemkow meint das nicht. Natürlich, 98 Prozent der Erbanlagen seien bei Mensch und Affe identisch. „Gehen Sie also ruhig in den Zoo oder den Tierpark, treten Sie vor den Schimpansenkäfig und wünschen Sie Ihrer Familie einen guten Tag!“ Es sei falsch, die Bibel als naturwissenschaftlichen Tatsachenbericht zu lesen, wie es amerikanische Kreationisten tun. Doch auch der Missbrauch Darwins sei gefährlich: „Dann erhebt sich der Mensch zum Gott, wie es der Nationalsozialismus vormachte“, sagte Gemkow. „Unter den KZ-Ärzten gab es viele überzeugte Sozialdarwinisten.“

Selbst riet der Pfarrer zum besonnenen Umgang mit Darwin und der Bibel. Schließlich enthalte diese unterschiedliche Berichte über die Erschaffung der Welt. „Es geht bei den Berichten um Glaubensaussagen. Der Bibel geht es nicht um das ,Wie‘ der Weltentwicklung, sondern das ,Warum‘ der Weltentstehung.“ Gläubige Christen könnten deswegen sagen, dass Gott am Anfang stehe und die Evolution das „Wie“ sei, durch das sich die Schöpfung entwickelt habe. Und der Pfarrer konnte eher ungewöhnlich schließen: „Danke, Bruder Darwin, und Happy Birthday nachträglich.“ Benjamin Lassiwe

Die Gemeinde im Internet:

www.nikodemus-berlin.de

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