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Berlin: Sonntags um zehn: Selig sind, die nicht banal sind

Ernst Pulsfort ist ein Mann klarer Worte. Als vehementer Kritiker der "Körperwelten"-Ausstellung, in der Leichen gezeigt werden, hat er sich unlängst Gehör verschafft, und auch in der normalen Sonntagsmesse in der Kirche der katholischen Akademie in Mitte, St.

Ernst Pulsfort ist ein Mann klarer Worte. Als vehementer Kritiker der "Körperwelten"-Ausstellung, in der Leichen gezeigt werden, hat er sich unlängst Gehör verschafft, und auch in der normalen Sonntagsmesse in der Kirche der katholischen Akademie in Mitte, St. Thomas von Aquin, mangelt es nicht an Prägnanz.

In seiner Auslegung der Bergpredigt spricht der Pfarrer und geistliche Rektor der Akademie schnörkellos von Christen und Heiden, von "uns" und "denen". Derlei Direktheit kommt offenbar an: Die zugegebenermaßen kleine Kirche in einem offenen Hof an der Hannoverschen Straße ist bis auf den letzten Platz gefüllt.

Das im katholischen Ablauf der Kirchenjahre vorgesehene und feststehende Evangelium sieht an diesem Sonntag die Bergpredigt vor. Und trotz der am Vortag eröffneten, kontrovers diskutierten und von Kirchenkreisen insgesamt eher abgelehnten Körperwelten-Ausstellung widersteht Pulsfort der Versuchung, diesen Schlüsseltext christlichen Selbstverständnisses gegen die ungeliebte Schau zu verwenden. Zu wichtig ist ihm die radikale Absage an eine Welt, in der immer nur die Stärkeren gewinnen, um sie für sein aktuelles Anliegen zu nutzen. Stattdessen predigt Pulsfort gegen den Materialismus an, gegen die "Heiden, die jeden neuen Ansatz sofort in ihrem Keim ersticken." Denn die Seligpreisungen sind, und das ist Pulsforts zentrale Aussage, mehr als eine schöne Jenseitsverheißung.

Wenn die Botschaft lautet, dass den Armen und Unterdrückten Gerechtigkeit widerfahren wird, dann ist das für Pulsfort eine Aufforderung zum Handeln im Hier und Jetzt. Und mit dem Glauben an ein Vorbild (Jesus) und dem Vertrauen auf ein Programm, das über irdische Werte hinausweist (eben die Bergpredigt), haben Christen einen spezifischen Vorteil, einen "weiteren Horizont", so Pulsfort: "Da sind wir den Heiden zigtausendfach überlegen."

Ökumenische Verweise auf evangelische Theologen stehen in dieser Messe nicht unbedingt im Gegensatz zum stramm katholischen Marienlied am Schluss: Pulsfort geht es um Profil, bei Kirchen wie bei Gläubigen. Und das besteht für ihn auch daraus, nein sagen zu können und auf den einen oder anderen Vorteil zu verzichten. "Lieber dürsten als sich mit Banalität voll laufen lassen", sagt Ernst Pulsfort gegen Ende seiner Predigt. Daran wird er am kommenden Mittwoch anknüpfen, wenn er um 18 Uhr in der Akademiekirche ein Requiem, eine Totenmesse nach katholischem Ritus, für die Leichen in der der "Körperwelten"-Schau feiern will.

Jörg-Peter Rau

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