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Beschwörer der Kraft. Auch Pfarrer Hans- Georg Löffler wünscht sich einen voll handlungsfähigen Papst. Foto: Georg Moritz

© Georg Moritz

SONNTAGS um zehn: Seufzen zum Gebet

Wie der Rücktritt des Papstes in Berlin ankommt.

Die Gemeinde St. Ludwig am Ludwigkirchplatz in Wilmersdorf ist so etwas wie das katholische Herz des bürgerlichen Westberlins. Der Andrang der Gläubigen ist so groß, dass die Franziskanerpatres sonntags vier Gottesdienste feiern. Dass die Familienmesse auch an diesem Sonntag voll ist, bedeutet also nicht, dass die Gläubigen geistlichen Beistand bräuchten, weil der Papst zurückgetreten ist. Sie kommen einfach immer, weil ihnen ihr Glaube wichtig ist.

Es ist der erste Sonntag in der Fastenzeit, es geht um Jesus in der Wüste, die Versuchungen des Teufels und um die Botschaft an die vielen Kommunionkinder: Nicht Spielzeug, Geld oder Ehrgeiz geben dem Leben Sinn. Sondern dass man etwas mit anderen teilt. Dass der Papst zurückgetreten ist, erwähnt Pater Hans-Georg Löffler nicht. „Ich wollte die Familienmesse nicht überfrachten“, sagt er hinterher. Er findet Benedikts Schritt „konsequent und klar“, er bewundert seinen Mut. So sehen das auch die Gläubigen. „Das Amt des Papstes ist zu wichtig, als dass es einer nur mit halber Kraft ausfüllt“, sagt eine 30-Jährige. „War doch würdelos zu sehen, wie Johannes Paul II. am Ende nur noch eine Hülle war“, meint ein Mann. „Rational finde ich den Schritt gut“, sagt Bettina Reschke, „aber emotional finde ich es total daneben, dass ein Papst zurücktritt.“

In der Sakristei bereitet sich derweil Pater Josef Schulte auf die nächste Messe um 12 Uhr vor. Er hält den Schritt von Papst Benedikt für einen „Akt der Weisheit und Freiheit“. Die Zahl der dementen Menschen nehme zu. „Das macht auch vor den Päpsten nicht halt“, sagt Pater Josef, „die Vorstellung ist doch schrecklich, dass am Ende jeder Amtszeit Jahre der Demenz stehen.“ Schulte streift sich das lilafarbene Messgewand der Passionszeit über die Kutte, geht hinaus in den Kirchenraum und stellt der Messe ein Zitat von Theodor Fontane voran: „Aller Größe Keim heißt Entsagung“. Später verliest er Kardinal Rainer Maria Woelkis Hirtenbrief zur Passionszeit. Er dreht sich um die Bedeutung des Abendmahls als Kern katholischen Lebens. Aus aktuellem Anlass hat Woelki ein Nachwort angefügt. Er deutet den Rücktritt des Papstes als „ein Zeichen der Demut und Liebe zur Kirche“ – auch wenn er alle „überrascht und auch ein wenig verwirrt“ habe. Claudia Keller

Zehn U-Bahnstationen nordöstlicher, um die Ecke vom Mauerpark, lädt Sonntag für Sonntag das „Institut St. Philipp Neri“ zur lateinischen Messe ein. Die konservative, traditionalistische Gemeinschaft von Priestern und Gläubigen aus dem Umfeld der Piusbrüder verdankt Joseph Ratzinger sehr viel. Weil er die Freunde der lateinischen Messe in den Schoß der Kirche zurückholen wollte, hatte er als Chef der Glaubenskongregation darauf hingewirkt, dass Papst Johannes Paul II. die Gemeinschaft 2004 anerkannte. Entsprechend groß ist hier die Trauer und Verunsicherung nach dem Rücktritt des Förderers.

„Die angekündigte Abdankung erfüllt uns mit Sorge um das persönliche Wohlergehen des Heiligen Vaters und um das Wohl der ganzen Kirche in dieser Zeit“, heißt es in einem Schreiben von Propst Gerald Goesche, dem Gründer der Gemeinschaft, das der Priester am Sonntag verliest. „Wir wissen nicht, worum wir in dieser Zeit in rechter Weise beten sollen“, sagt Goesche. „Möge auf die Fürsprache Mariens der Heilige Geist selbst für uns eintreten, mit unaussprechlichem Seufzen.“

Nachdem die lateinischen Gesänge verklungen, die Predigt gehalten und die Eucharistie gefeiert ist, unterschreiben die Gläubigen eine Grußkarte an Papst Benedikt – „in dankbarer Verbindung“. Bei den Besuchern überwiegt Verständnis: „Ich bin traurig und enttäuscht“, sagt Michael Gesche, „aber ich kann die Entscheidung des Papstes nachvollziehen.“ Im Kirchenrecht gebe es die Möglichkeit des Rücktritts, und die habe der Papst eben genutzt. Benjamin Lassiwe

Claudia Keller

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