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SONNTAGS um zehn: Unabhängig vom Papst in Rom

In Schöneberg feiern Altkatholiken und Evangelische zusammen Gottesdienst.

Beim Abendmahl war die Ökumene sichtbar. In einem großen Halbkreis standen die Gemeindemitglieder der Evangelischen Kirchengemeinde Alt-Schöneberg und der Alt-Katholischen Gemeinde Berlin um den Altar der Schöneberger Dorfkirche. Der Alt-Katholische Dekan Johannes Urbisch und der evangelische Pfarrer Richard Horn teilten gemeinsam Hostien und Wein an die Gottesdienstbesucher aus. Schon seit 1985 gibt es zwischen den Gemeinde eine Vereinbarung über die gegenseitige Einladung zu Abendmahl und Eucharistie. „Wir sind eine katholische Kirche, die von Rom unabhängig ist“, beschreibt Johannes Urbisch seine Kirche. Im 19. Jahrhundert entstand sie aus Protest gegen das Dogma der Unfehlbarkeit des Papstes. Später entschied man sich für die Zulassung von Frauen zum Priesteramt und erlaubte den Pfarrern auch die Heirat. Heute legt Urbisch großen Wert darauf, seine Kirche nicht nur über das Verhältnis zu Rom zu definieren, auch wenn die Liturgie beider Kirchen noch immer ausgesprochen ähnlich ist. „Aber Abgrenzungen bringen weder uns noch die Ökumene weiter.“

In Schöneberg sind die Altkatholiken schon seit rund 90 Jahren Gast in der alten Dorfkirche, sagt der evangelische Pfarrer Richard Horn. Regelmäßig feiern beide Gemeinden ökumenische Gottesdienste. Mal benutzt man die Lieder und Gebete der Altkatholiken, dann hält der evangelische Pfarrer die Predigt. An diesem Sonntag aber war es umgekehrt, und Johannes Urbisch predigte über das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg. Darin erzählt Jesus von einem Bauern, der zu unterschiedlichen Zeiten Tagelöhner einstellt, sie am Ende aber gleich entlohnt – obwohl manche nur eine Stunde, andere aber einen ganzen Tag im Weinberg schufteten. „Mit Gerechtigkeit, wie wir das heute verstehen, hat das wohl nichts zu tun“, sagt Urbisch. Doch das Gleichnis solle davon berichten, wie es dereinst im Himmelreich zugehe. Gott habe „auch die angesprochen, für die sich sonst niemand interessiert, weil jeder wertvoll ist.“ Seine Güte sei nicht davon abhängig, wie lange jemand in der Kirche schon dabei ist, und wie viel er geleistet habe.

Auch nach dem Gottesdienst, als sich die Gläubigen noch zu einer Tasse Kaffee im George-Bell-Haus der Schöneberger Kirchengemeinde trafen, war die Predigt ein Gesprächsthema. Und die kirchenpolitischen Ereignisse der letzten Wochen. „Als Altkatholik bin ich traurig über das, was da gerade in Rom vor sich geht“, sagte etwa der Verlagslektor Heiko Hartmann, der für seine Gemeinde prominent besetzte Vortragsabende organisiert. Wenn eine christliche Kirche in der Öffentlichkeit in schlechtes Licht gerate, schade das auch allen anderen. „Und es wird am Ende immer Menschen geben, die sich deswegen für keine Kirche mehr begeistern lassen.“ Benjamin Lassiwe

Die Gemeinden im Web: www.alt-schoeneberg.de

www.alt-katholisch.de

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