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Berlin: Souvenirs für den falschen Zugführer

Steffen B. ließ sich von echten S-Bahnern im Führerstand fotografieren. Mitarbeiterin gefeuert, die ihn ans Steuer ließ

Die SBahn hat erste Konsequenzen aus der Entführung eines ihrer Züge durch einen uniformierten Bahnfan gezogen: Die Mitarbeiterin, die den 19-jährigen Steffen B. ans Steuer gelassen hatte, wird entlassen. Zudem wurden die Vorschriften verschärft: Ab sofort müssen sich Fahrer den Ausweis zeigen lassen, wenn sie ihren Ablöser nicht kennen. S-Bahn-Chef Günter Ruppert betonte gestern, dass B. vermutlich nie alleine unterwegs war. Gesucht werden jetzt weitere Fahrer, die B. schon vorher in den Führerstand gelassen und davon sogar Fotos gemacht haben. Am Donnerstag letzter Woche sei klar geworden, dass eine bestimmte Person für die „Vorkommnisse“ verantwortlich war, die in den vergangenen zwei Wochen bekannt wurden: Ein stehengebliebener Zug, Fremde in den Diensträumen. Einige ausgewählte Betriebsaufsichten wurden mit einem Foto von Steffen B. ausgestattet, woher das Foto stammt, verriet die S-Bahn nicht. Da vermutet wurde, dass B. Helfer hat, bekam das Fahrpersonal dieses Foto nicht.

Zu recht, wie sich gestern herausstellte. Die Boulevardzeitung „BZ“ veröffentlichte diverse Fotos, die den 19-Jährigen in Führerständen zeigen. Sie müssen von anderen Berliner Fahrern stammen, die den aus Baden-Württemberg stammenden Eisenbahnfan in seiner DB-Uniform bedenkenlos in den Führerstand gelassen hatten. Der Aufenthalt von Betriebsfremden in Führerständen ist verboten. Allerdings wird dagegen nicht selten verstoßen. Besonders in Regionalzügen lassen die Lokführer ab und zu Fremde bei sich mitfahren, wenn diese sich als „Pufferküsser, so nennen sich Eisenbahnfans, zu erkennen geben.

Am vergangenen Sonnabend hatte die Betriebsaufsicht der S-Bahn Steffen B. nach zweistündiger Fahrt im Führerstand der S 42 im Bahnhof Eichwalde gestellt. Um 16.06 Uhr war er „als Kollege“ am Bundesplatz in den Führerstand gestiegen. Da der Fahrerin seit einiger Zeit etwas übel war, ließ sie B. ans Steuer. Ein klarer Verstoß gegen die Regeln.

Wie berichtet, übergab die S-Bahnbetriebsaufsicht Steffen B. der Polizei. Er versuchte zu fliehen und schoss aus einer Schreckschusswaffe. Die Beamten schossen zurück und trafen ihn in Bein und Brust. Eine Notoperation rettete ihm das Leben. Gestern wurde der Mann erneut operiert. Er sei noch nicht vernehmungsfähig, sagte Justizsprecher Björn Retzlaff. Es werde wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte undgefährlichen Eingriffs in den Schienenverkehr ermittelt.

Nach Informationen des Tagesspiegels wird jetzt auch ermittelt, ob Steffen B. den Generalschlüssel zum Steuern der Züge gestohlen hat. Mehrfach sind der S-Bahn in der Vergangenheit solche Schlüssel abhanden gekommen – der Besitz dieses Schlüssels ist zudem eine Art Legitimation im Kollegenkreis.

Haftbefehl wurde gegen Steffen B. nicht beantragt, das ist schon in seiner Heimatstadt Horb im Schwarzwald geschehen. Dort war er vor vier Jahren aufgefallen. Als 16-Jähriger stahl er einen Bus und kurvte durch die Gegend. Seither sammelten sich rund 50 Taten in seiner Polizeiakte: Vor allem Einbrüche bei der Bahn. Er stahl Schlüssel, Uniformen und Dienstausweise, mit denen er sich in der Art des Hauptmanns von Köpenick (siehe Kasten) als Mitarbeiter ausgab. Ha/weso

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