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Berlin: Sozialämter kulant zu Angehörigen Rechnungshof rügt: Verwandte müssen in Berlin nur selten für Hilfeempfänger geradestehen

Frank Balzer gilt als „harter Hund“ unter den Sozialstadträten Berlins. Er führte einen Prüfdienst zur Aufdeckung von Sozialmissbrauch ein und verfügte eine restriktivere Haltung seiner Behörde bei der Übernahme von Mietschulden.

Von Sandra Dassler

Frank Balzer gilt als „harter Hund“ unter den Sozialstadträten Berlins. Er führte einen Prüfdienst zur Aufdeckung von Sozialmissbrauch ein und verfügte eine restriktivere Haltung seiner Behörde bei der Übernahme von Mietschulden. Balzer, der dafür oft kritisiert und sogar tätlich angegriffen wurde, rechtfertigte seine harte Linie stets damit, dass das Amt Geld spare.Was Kollegen von ihm im Ruhrgebiet taten, um Geld zu sparen, ist allerdings selbst für Frank Balzer undenkbar. Wie berichtet hatte das Bochumer Sozialamt die Tochter einer 1995 verstorbenen Heimbewohnerin zu einem Zwangsdarlehen von rund 63 000 Euro auf ihre Haushälfte verpflichtet. Damit sollten die Sozialhilfeleistungen für die Mutter zurückgezahlt werden. Die Verfassungsbeschwerde der Tochter hatte Erfolg. Volljährige Kinder müssen bedürftige Eltern nur unterstützen, wenn ihnen ausreichend Mittel zur Verfügung stehen, befanden die Karlsruher Richter am vergangenen Dienstag.

Für Berliner Sozialämter habe das Urteil kaum Bedeutung, sagt die Sprecherin der Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz, Roswitha Steinbrenner: „Ich kenne keinen Fall, bei dem ein Sozialamt derart rigide vorgegangen ist. Im Gegenteil – der Rechnungshof hat schon Bezirksämter gerügt, weil sie nicht konsequent genug versuchten, sich erbrachte Leistungen von Familienangehörigen zurückzuholen.“

Das kann Sabine Ausserfeld, die Sprecherin des Landesrechnungshofs, nur bestätigen. „Wie schon in den vergangenen Jahren haben wir auch im Bericht 2005 auf die hohen Einnahmeverluste hingewiesen, die dem Land entstehen, weil mögliche Ansprüche an Angehörige nicht geltend gemacht werden.“

In den Bezirksämtern wird dieser Vorwurf gar nicht bestritten. „Wegen der Umstellung auf Hartz IV sind bei uns viele Vorgänge liegen geblieben“, sagt die Sozialstadträtin von Treptow-Köpenick, Angelika Buch. Aber auch vor Hartz IV kritisierte der Landesrechnungshof die laxe Haltung der Berliner Sozialämter. Schon im Jahresbericht 2002 werden „Schäden in Millionenhöhe durch unterlassene Heranziehung unterhaltspflichtiger Angehöriger von Sozialhilfeempfängern“ beklagt. Allein dem damaligen Bezirksamt Lichtenberg seien bis zu 2,6 Millionen Euro entgangen, weil Ansprüche nicht geltend gemacht wurden oder verjährten.

In Reinickendorf würde das nicht passieren, sagt Sozialstadtrat Balzer. Hier seien alle Mitarbeiter aufgefordert, möglichst schnell zu prüfen, ob Angehörige für bereits erbrachte Pflegeleistungen aufkommen können. „Nach vier Jahren verjähren die Ansprüche“, erklärt Balzer. In Frage kommen ohnehin nur Kinder oder Eltern von pflegebedürftigen Personen. Die Prüfung kostet Zeit und muss manchmal wiederholt werden, weil sich persönliche oder finanzielle Umstände ändern.“

Wenn das Amt der Meinung ist, dass Angehörige in der Lage sind, etwas zur Pflege ihrer Eltern beizusteuern und diese das nicht freiwillig tun, muss das Amt die Ansprüche bei einem der zwei Berliner Familiengerichte einklagen. Die Zahl solcher Verfahren hält sich in Berlin aber in Grenzen, sagt Gerichtssprecherin Katrin-Elena Schönberg. Frank Balzer wundert das nicht: „Wir prüfen jeden Einzelfall sehr genau, bevor wir klagen. Wenn zum Beispiel ein Ehepaar schon ein schwer behindertes Kind pflegt, kann es meist nicht auch noch für die Betreuung der kranken Eltern aufkommen.“

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