zum Hauptinhalt

Berlin: Sozialatlas 2004: Berlin verslumt – und im Ostteil der Stadt bleiben nur die Alten zurück

Neue Bestandsaufnahme stellt Quartiersmanagern in den Bezirken ein vernichtendes Urteil aus

Berlin hat seine verwahrlosten Ecken – und offenbar nimmt deren Zahl eher zu als ab. Am vergangenen Montag präsentierte Innensenator Ehrhart Körting seine Road Map der kriminellen Brennpunkte in der Stadt. Sein Resümee: Wenn die Stadt nichts tut, werden Problemkieze bald zu Ghettos. Einen Tag später folgte Stadtentwicklungssenator Peter Strieder mit der Bevölkerungsprognose bis 2020. Seine Ausblick: Aus den Ostbezirken wandern die jungen, sozial leistungsfähigen Bewohner ab und lassen die Alten und sozial Schwachen zurück.

Der neue Sozialatlas, den die Senatssozialverwaltung Anfang Februar vorlegen will, wird für diese Befürchtungen weitere Beweise liefern. Denn die Statistiker konstatieren nach TagesspiegelInformationen besonders eines: Der soziale Abwärtstrend in der Stadt hat sich bis auf wenige Ausnahmen fortgesetzt. Man wird aus dem Atlas ein vernichtendes Urteil über die Arbeit der Quartiersmanager herauslesen können. Mit diesem Konzept versucht Berlin seit 1999 gegen die Verslummung anzugehen. Doch in den sozialen Brennpunkten, wie zum Beispiel in Kreuzberg, im Wedding oder in Moabit habe sich die Situation weiter verschärft. Die Arbeitslosenquote stieg dort ebenso wie die Zahl der Sozialhilfeempfänger. Es gibt nur wenige Lichtblicke: So hat sich in Mitte das soziale Umfeld durch den Zuzug der Regierung und der Verbände wesentlich verbessert, in Köpenick hat es sich zumindest stabilisiert.

Der letzte Sozialatlas erschien 1999 und hatte heftige öffentliche Diskussionen ausgelöst, weil die Autoren schon damals eine deutliche Tendenz zur Verslummung der Innenstadtbezirke nachwiesen.

Die Gegenmaßnahmen greifen nicht, meinen Fachleute nun. Erschreckend sei zum Beispiel die Bildungssituation der in den sozialen Brennpunkten lebenden Jugendlichen. „20 Prozent aller Berliner Schulabgänger haben keinen Schulabschluss“, sagt ein Fachmann. Noch einmal jeder fünfte habe keine abgeschlossene Berufsausbildung. Doch ohne diese Qualifikationen führe der Weg direkt in die Arbeitslosigkeit und dann in die Sozialhilfe. „Das sind die Faktoren, die die Integration behindern." So entstehe ein für die Gesellschaft brisantes Reservoir.

Es gehe dabei gar nicht um mehr Geld, sondern darum, es zielgerichteter und koordinierter einzusetzen. Derzeit konkurrierten mehrere Senatsverwaltungen in diesem Bereich: die Stadtentwicklungsverwaltung, die Sozialverwaltung, die Innenverwaltung oder die Arbeitsverwaltung.

Doch nicht nur die bisherigen sozialen Brennpunkte bleiben die Sorgenkinder der Stadtentwickler. Neue Gebiete kommen hinzu. Laut dem neuen Sozialatlas habe die dramatischste Abwärtsbewegung in den Ostbezirken stattgefunden, genau da, wo die Statistiker im letzten Sozialatlas noch erleichtert eine überdurchschnittliche Sozialstruktur vorgefunden hatten: die zu DDRZeiten errichteten Neubauviertel in Hellersdorf und Marzahn. Doch mit dem neuen Atlas lässt sich mit den Daten der Statistiker das belegen, was pessimistische Stadtplaner schon vor Jahren befürchteten. Die Plattenbaugebiete im Osten entwickeln sich zu neuen Problemkiezen. Marzahn und Hellersdorf zeigten deutliche Verslummungstendenzen, sagen Experten. Die Bevölkerung in dem Bezirk wird immer älter und ihre soziale Leistungsfähigkeit immer geringer. Ingo Bach

-

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false