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Berlin: Sozialdemokraten ärgern sich über Sarrazins Vergleiche

Aufregung um die Aussagen des Finanzsenators/ Senat verweist auf Strukturlasten aus Mauerzeiten

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Finanzsenator Thilo Sarrazin fühlt sich missverstanden. Seine Äußerungen in der „Zeit“ seien „inhaltlich in ein falsches Licht gerückt“ worden, sagte er gestern. Dort hatte er auf die Frage, wo Berlin stehe, gesagt: „Lassen Sie mich mal so sagen: Der Schutt ist abgeräumt. Wir leben hier nicht mehr im Jahre 1945. Sondern wir leben im Jahre 1947.“ Dieser Vergleich, versuchte er zu korrigieren, habe sich nur auf die Frage bezogen, wie weit Berlin mit der Bewältigung der Finanzkrise gekommen sei. Auch die Bemerkung, Berlin sei eher eine durchschnittliche Stadt, will der Senator nicht als „qualitatives Werturteil“ verstanden wissen.

Trotzdem waren viele SPD-Parteifreunde gestern so verärgert, dass Sarrazins Chancen, nach der Wahl Finanzsenator zu bleiben, möglicherweise drastisch gesunken sind. Der SPD-Landeschef Michael Müller hatte Sarrazin mehrfach, intern und öffentlich, mündlich und schriftlich, zur Räson gerufen. Im Gegensatz zu den skeptischen Tönen Sarrazins bewertet Wirtschaftssenator Harald Wolf (PDS) die Lage Berlins eher günstig. Wolf sieht im jüngsten Konjunkturbericht, der gestern veröffentlicht wurde, einen „positiven Trend der Wirtschaftsentwicklung“. Die Auftragslage und die Umsätze der Industrie hätten sich leicht verbessert. Die Zahl der Unternehmensgründungen nehme zu, allerdings meistens im Dienstleistungsbereich. Auf dem Arbeitsmarkt setze sich die Belebung fort. Beim Wirtschaftswachstum hinkt Berlin im bundesweiten Vergleich schon lange hinterher. Die Arbeitslosenquote wird nur von Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt übertroffen. Aber bei der Zahl der Gewerbeanmeldungen steht die Hauptstadt nach Hamburg an zweiter Stelle. Das größte Problem Berlins ist die geringe Zahl von Industriearbeitsplätzen.

Der CDU-Spitzenkandidat Friedbert Pflüger sagt im Wahlkampf, Berlin liege wirtschaftlich auf einem Niveau mit Bielefeld. Beim Treffpunkt Tagesspiegel sagte Pflüger: „Dass wir laut Wirtschaftswoche von 50 Großstädten auf Platz 48 liegen hinsichtlich der wirtschaftlichen Dynamik, ist nichts, was einen freuen kann.“ Wowereit kontert dies mit dem Hinweis, dass große Unternehmen Berlin verlassen hätten, als es der Stadt „am dreckigsten ging“, nämlich in der Nachkriegs- und der Mauerzeit. Und er verweist darauf, dass es jeder Regierung in Zeiten der wirtschaftlichen Umstrukturierung schwer falle, neue Arbeitsplätze zu schaffen. Er warnt davor, den Standort Berlin schlecht zu reden. Der Landeshaushalt wird 2007, wenn man die Zinsausgaben außer Acht lässt, erstmals seit 1990 ausgeglichen sein. Doch ist die Stadt mit über 60 Milliarden Euro sehr hoch verschuldet.

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