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Harter Cut, vor allem für die Gastronomie: Aufgrund der Pandemie sollen Gaststätten in Berlin schließen.

© Philipp von Ditfurth/dpa

Update

„Lockdown light“: Diese neuen Corona-Regeln gelten ab Montag in Berlin

Der Senat verordnet eine drastische Einschränkung des öffentlichen Lebens. Gastronomen suchen sich Beistand, die FDP kritisiert die Regierung als „kopflos“.

Berlin steht vor einem einsamen November. In einer Sondersitzung am Donnerstagnachmittag hat sich der Berliner Senat auf eine weitestgehende Übernahme der Beschlüsse des Corona-Gipfels von Angela Merkel und den Länderchefs am Mittwoch geeinigt. Vorhandene Spielräume würden genutzt, erklärte der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) nach der Sitzung. Er machte aber deutlich: „Kontakte zu reduzieren ist jetzt das A und O.“

Konkret bedeutet das: Restaurants, Bars sowie Kneipen bleiben vom kommenden Montag an geschlossen, sie dürfen aber außer Haus verkaufen. Die generelle Sperrstunde wird aufgehoben. „Theoretisch kann man sich auch nachts um eins eine Pizza bestellen“, sagte Müller. Der reine Außer-Haus-Verkauf gilt ja ohnehin, das Alkoholverkaufsverbot zwischen 23 und 6 Uhr bleibt bestehen.

Ebenfalls geschlossen werden Theater, Opern, Konzerthäuser und Museen. Geöffnet bleiben Bibliotheken, Archive, Musik- und Volkshochschulen. Auch Schulen und Kitas bleiben geöffnet. Von der Schließung der allermeisten Freizeiteinrichtungen ausgeschlossen bleiben Zoo und Tierpark, auch Einzelhandelsgeschäfte dürfen weiter öffnen.

Bei öffentlichen Veranstaltungen gilt eine Obergrenze von 100 (draußen) beziehungsweise 50 Personen (drinnen). Demonstrationen dürfen unter Auflagen auch mit mehr Teilnehmern stattfinden. Weihnachts- und Jahrmärkte dürfen nicht öffnen.

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Die Regelung gilt vorerst bis 30. November. „Das öffentliche Leben wird bis auf Kitas und Schulen komplett heruntergefahren in den nächsten Wochen. Da gibt es nichts herumzureden“, sagte Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne).

Geringfügig wich der Senat im Bereich Sport von den Beschlüssen der Ministerpräsidentenkonferenz ab. Kindern bis 12 Jahren soll es weiterhin gestattet sein, „in festen Gruppen“ von maximal zehn Personen und unter freiem Himmel zu trainieren. Für alle anderen ist Gruppensport untersagt – Trainieren ist nur mit maximal einer anderen Person und mit Abstand erlaubt.

Lederer: Lockdown darf sich kein weiteres Mal wiederholen

Teilnehmer der Sitzung lobten die Geschlossenheit und das „Gemeinschaftsgefühl“ innerhalb des Senats. Müller betonte, allen sei der Ernst der Situation bewusst. „Wir können diese Situation nur beherrschen, wenn wir gemeinsam nach vorn gehen“, sagte der Regierende Bürgermeister.

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD).
Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD).

© Fabrizio Bensch/Reuters

Wirtschaftssenatorin Pop sprach von „schmerzhaften Beschlüssen“. Kultursenator Klaus Lederer (Linke) sagte: „Ich will das hier ganz deutlich sagen: Es gibt Punkte, wo ich mit den Beschlüssen auf Bundesebene und ihrer Rigorosität große Probleme habe, gerade im Kulturbereich.“

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Lederer erklärte, die kommenden vier Wochen müssten genutzt werden, um Vorbereitungen für die Zeit danach zu treffen. Nach dem Lockdown im Frühjahr seien jetzt erneut drastische Schritte vollzogen worden, das dürfe sich kein weiteres Mal wiederholen. Lederer forderte, soziale Härten abzufedern und beispielsweise Unterkünfte für Wohnungslose deutlich auszubauen.

CDU betont Durchsetzung der Corona-Regeln

Aus der Opposition war bereits im Vorfeld der Sitzung die Forderung laut geworden, sich den Beschlüssen vom Mittwoch anzuschließen. Kai Wegner, CDU-Landeschef und Spitzenkandidat für das Amt des Regierenden Bürgermeisters, forderte: „Regeln müssen auch in Berlin konsequent kommuniziert, durchgesetzt und sanktioniert werden.“

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Das Vorgehen müsse zwischen Bund und Ländern gemeinsam abgestimmt werden. „Sonderwege, abgelehnte Hilfsangebote und senatsinterner Streit – das ist das, was vom letzten Jahr in Berlin hängen bleibt.“ Wirtschaftliche Folgen dürften aber nicht vergessen werden. „Zielgenaue Hilfen für die betroffenen Branchen“ seien zentral.

FDP kritisiert Senat für gestiegene Infektionszahlen

FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja gab Berlins Regierung eine Mitschuld an den gestiegenen Infektionszahlen und der aktuellen Lage: „Der Berliner Senat ist auf ganzer Linie am Management einer absolut vorhersehbaren Situation gescheitert: Seit Wochen warnen Experten vor einer zweiten Welle.“ Statt eine klaren Strategie zu erarbeiten, habe Rot-Rot-Grün „völlig kopf- und planlos“ agiert.

Sebastian Czaja, Fraktionsvorsitzender der Berliner FDP. 
Sebastian Czaja, Fraktionsvorsitzender der Berliner FDP. 

© Britta Pedersen/dpa

„Das katastrophale Versagen und die darauffolgende Selbstaufgabe bei der Kontaktnachverfolgung ist nicht nachvollziehbar und macht die Situation noch schlimmer“, sagte Czaja. Dies gefährde nicht nur die Gesundheit aller, sondern auch die Akzeptanz der Maßnahmen und den „sozialen Frieden im demokratischen Rechtsstaat“.

200 Anfragen: Anwalt prüft Klage gegen Lockdown

Auf diesen Rechtsstaat könnte jetzt Arbeit zukommen. „In den vergangenen 48 Stunden wurden wir überflutet mit Anrufen und Mails“, sagte Anwalt Niko Härting am Donnerstag. Er hatte zuletzt Gastronomen erfolgreich bei Klagen gegen die Sperrstunde vertreten. Rund 200 Anfragen für rechtlichen Beistand gegen die Schließungen gebe es bereits, darunter Besitzer von Bowlingbahnen, Tattoo- und Fitnessstudios.

„Wir bereiten die Anträge jetzt vor, warten aber noch ab, was genau in der Verordnung des Senats steht.“ Härting kritisierte die Beschlüsse der Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin als „planlos“. Juristisch habe er verfassungsrechtliche Zweifel.

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