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Berlin: Sozialgericht meldet wieder Klagerekord Bescheide der Jobcenter immer noch zu schlecht

Berlin - Alle zwölf Minuten geht im Berliner Sozialgericht durchschnittlich eine Klage ein – insgesamt 44 301 neue Verfahren waren es 2012. „Leider ist dies ein neuer Rekord“, sagte Gerichtspräsidentin Sabine Schudoma am Donnerstag bei der Jahrespressekonferenz des Gerichts.

Von Fatina Keilani

Berlin - Alle zwölf Minuten geht im Berliner Sozialgericht durchschnittlich eine Klage ein – insgesamt 44 301 neue Verfahren waren es 2012. „Leider ist dies ein neuer Rekord“, sagte Gerichtspräsidentin Sabine Schudoma am Donnerstag bei der Jahrespressekonferenz des Gerichts. Monatlich kamen 3700 Klagen und Eilanträge in der Poststelle an, in der auch gestern wieder Justizbedienstete im Akkord Eingangsstempel aufs Papier knallten.

Immer noch betrifft der weitaus größte Teil der Verfahren Hartz IV, doch ist deren Anteil leicht gesunken – von 70 Prozent im Jahr 2011 auf 65 Prozent 2012. Die Gerichtspräsidentin erneuerte ihre Kritik an der Leistung der Jobcenter. Vier von fünf Verfahren würden ohne Urteil erledigt und hätten vermieden werden können, wenn die Parteien vorher miteinander geredet hätten. Von den restlichen seien 54 Prozent der Klagen erfolgreich, eine hohe Quote. Zum Vergleich: Wenn es um Rente oder Krankenversicherung geht, ist nur ein Drittel der Kläger erfolgreich. Laut Olaf Möller von der Regionaldirektion der Arbeitsagentur sind aber Verbesserungen in Sicht. „Noch in diesem Jahr soll es messbare Erfolge geben“, sagte Möller. Damit ist zunächst gemeint: weniger Widersprüche. Das führe automatisch zu weniger Klagen. Das Antragsverfahren sei sehr kompliziert und solle einfacher werden, und auch die Bescheide sollten in Zukunft verständlicher formuliert sein – viele Bürger würden sie wegen der komplizierten Sprache gar nicht verstehen. Insgesamt sollen die „Kunden“ zukünftig besser einbezogen werden.

Das Gericht spüre „wie ein Seismograph die Erschütterungen im deutschen Sozialsystem“, sagte Schudoma. Noch vor Jahren habe man überwiegend um Leistungen gestritten, die durch Beiträge von Arbeitnehmern und Arbeitgebern finanziert gewesen seien. Seit Inkrafttreten der Hartz-IV-Gesetze geht es mehrheitlich um steuerfinanzierte Leistungen. Ein großer Teil des Arbeitsmarkts werde mittlerweile an der Sozialversicherung vorbei organisiert. Selbst der Bundestag habe jahrelang gegen seine eigenen Gesetze verstoßen. Schudoma erinnerte an den Fall einer Bundestagsbediensteten, für die keine Beiträge zur Rentenversicherung entrichtet wurden – zu Unrecht, wie das Gericht im vergangenen Jahr urteilte.

Angesichts der vielen Klagen wuchs der Berg der unerledigten Verfahren auf 42 409 an, rund 2000 mehr als 2011. „Wir müssten ein Jahr schließen, um diesen Aktenberg abzuarbeiten“, sagte Schudoma. Dabei sei ihr Gericht im Bundesvergleich sehr effizient: „Nirgends in Deutschland arbeiten die Sozialrichter schneller als in Berlin.“ Im Durchschnitt sei ein Klageverfahren binnen eines Jahres erledigt, ein Hartz-IV-Verfahren nach zehn Monaten. Ein Eilverfahren dauere weniger als einen Monat.

Eine gute Nachricht gab es auch. Oft wurde um die Frage gestritten, bis zu welcher Höhe die Jobcenter Mieten übernehmen müssen. Das Gesetz war zu schwammig, viele Klagen die Folge. Seit Mai 2012 gibt es nun eine Verordnung dazu. Jetzt hofft das Gericht, dass Klagen zum Thema „Angemessenheit der Miete“ wegfallen. Und: Neun weitere Richter sollen in diesem Jahr neu ans Gericht kommen.129 sind schon da. Fatina Keilani

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