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Berlin: Sozialgerichte kommen nicht an gegen die Klageflut

Justizminister: Stau konnte nicht abgebaut werden Jetzt gibt es sechs zusätzliche Richter zur Entlastung.

Von Matthias Matern

Potsdam - Brandenburgs Justizminister Volkmar Schöneburg (Linke) hat die Bemühungen der rot-roten Landesregierung, den Verfahrensstau an den Sozialgerichten abzubauen, für gescheitert erklärt. „Wir haben auch in Kontinuität zu meiner Vorgängerin versucht, der Lage Herr zu werden, haben es aber bisher nicht geschafft“, sagte Schöneburg.

Derzeit liegen an den vier Sozialgerichten des Landes in Cottbus, Frankfurt (Oder), Neuruppin und Potsdam nach Angaben des Justizministeriums insgesamt mehr als 22 600 nicht abgeschlossene Verfahren vor. Die Verfahrensdauer betrage im Schnitt 15 Monate. Knapp zwei Drittel des gesamten Bestandes seien zudem Verfahren zu Klagen gegen Hartz-IV-Bescheide. Während nach Angaben des Landessozialgerichts 2011 die Zahl der neuen Hartz-IV-Klagen bundesweit erstmals leicht um rund fünf Prozent sank, sei sie in Berlin-Brandenburg um 14,6 Prozent gestiegen. Nur Schleswig-Holstein verzeichnete ebenfalls einen Anstieg, allerdings um rund 17 Prozent.

Um die Sozialgerichte zu entlasten, will Schöneburg jetzt weitere sechs Richter und bis zu acht Gerichtsbedienstete zur Verfügung stellen. Zwei der sechs Richter werden ihre Kollegen in den Sozialgerichten jedoch nur temporär unterstützen. Sie gehören eigentlich anderen Gerichten an, helfen aber freiwillig aus. Vier weitere sollen bis zum Herbst eingestellt werden. Damit erhöhe sich die Zahl der Richterstellen für die vier Standorte auf 72. Bereits Anfang des Jahres und im April sowie im Juni hatten sich laut Justizministerium fünf Richter der sogenannten ordentlichen Gerichtsbarkeit, also aus Amts- oder Landgerichten, und von den Arbeitsgerichten bereit erklärt, an den Sozialgerichten auszuhelfen.

Die Präsidentin des Landessozialgerichts, Monika Paulat, begrüßte am Donnerstag die weitere Verstärkung. „Mit diesen Maßnahmen werden wir in der Tat die Sozialgerichte sanieren können. Das ist mehr als nur Licht am Ende des Tunnels“, sagte Paulat.

Matthias Deller, Vorsitzender des brandenburgischen Richterbundes, sprach dagegen nur von einem Schritt in die richtige Richtung. Jeder Personalzuwachs bei den Sozialgerichten sei zwar zu begrüßen. Ob dies aber ausreichen werde, um die hohen Bestände in angemessener Zeit abzubauen, sei durchaus fraglich.

Paulat rechnet indes nicht mit kontinuierlich sinkenden Eingängen bei Hartz-IV-Klagen. „Das ist keine Klageflut, sondern ein Dauerhochwasser.“ Gründe für die vielen Verfahren sehen Schöneburg und Paulat im handwerklich problematischen Hartz-IV-Gesetz und in der Qualität der von den Jobcentern erstellten Bescheide.

Auch in Berlin mit dem größten Sozialgericht Deutschlands wurde in den vergangenen Jahr permanent die Zahl der Richterstellen aufgrund der Hartz-IV-Klagen erhöht. Zu Beginn der Arbeitsmarktreform 2005 gab es 55 Stellen, zum Anfang dieses Jahres waren es bereits 127. Die Hartz-IV-Verfahren machen rund 70 Prozent aller Klagen und Eilverfahren aus. In 80 Prozent der Fälle gibt eine Einigung ohne ein Urteil.

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