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Sozialstudie

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Sozialstudie: Berlins Bezirke driften wieder stärker auseinander

Solange es wirtschaftlich aufwärtsging, profitierten auch ärmere Stadtteile. Das ist vorbei. Jetzt sollen Fördermittel helfen, doch der Weg zu sozialer Gerechtigkeit wird immer steiler.

Die gute Nachricht vorweg: Die Konjunktur und der Rückgang der Arbeitslosigkeit im Jahr 2007 haben eine Verschärfung der Lage in den sozial schwierigen Stadtteilen Berlins verhindert. Dies geht aus dem aktuellen "Monitoring soziale Stadtentwicklung" hervor, den die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung gestern vorgestellt hat. Das jährlich erscheinende "Frühwarnsystem", wie Senatorin Ingeborg Junge-Reyer den Bericht nennt, schlägt dennoch Alarm: Von einer anhaltenden "Problemdichte" in "fünf großen zusammenhängenden Gebieten" ist da die Rede. Wedding, Neukölln, Kreuzberg sowie Spandau zählen dazu - und nun auch Marzahn-Hellersdorf.

"Unser Ziel ist, soziale Gerechtigkeit herzustellen, gleiche Chancen für alle Berliner unabhängig von ihrem Wohnort", sagte Ingeborg Junge-Reyer. Das neueste Monitoring zeigt aber, dass der Weg dahin immer steiler wird. In den sozial schwierigen Gebieten der Innenstadt leben 400.000 Menschen. Mehr Jugendliche als im Berliner Durchschnitt sind darunter, von denen in einigen Vierteln zwei Drittel erwerbslos und von staatlichen Hilfen abhängig sind. Quartiersmanagement hilft da nicht mehr weiter.

Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung will reagieren mit einer "Bündelung aller Fördermittel zugunsten dieser Gebiete", sagt Ingeborg Junge-Reyer. Zurzeit stünden 32 Millionen Euro jährlich zur Verfügung, ab kommendem Jahr 50 Millionen Euro. Die Zusammenarbeit zwischen Elternzentren, Schulen und Kitas solle gestärkt und Investitionsmittel auch aus dem Konjunkturpaket der Bundesregierung bereitgestellt werden. Ein "bildungspolitisches Konjunkturprogramm" nannte die Senatorin ihren Plan.

Integreation in sozial schwachen Gebieten wird immer schwieriger

Wie aber werden sozial schwache Viertel in der Stadt identifiziert? Vorrangig anhand der Zahl der Erwerbslosen und der Empfänger von Existenzsicherungsleistungen, anhand der staatlich unterstützten Kinder und Jugendlichen sowie der Zahl ausländischer Kinder. "Migrationshintergrund ist aber nur dann ein Kriterium, wenn die Betroffenen zugleich auch erwerbslos sind", sagt Axel Werwatz von der Technischen Universität.

Dass die Integration in den sozial schwachen Quartieren immer schwieriger wird, zeigen diese Zahlen: 77,5 Prozent aller 18-Jährigen, die in den Brennpunkten Wedding und Nord-Neukölln leben, haben einen Migrationshintergrund. Ein großer Teil davon lebt von Transfereinkommen. "Wenn dies in größeren zusammenhängenden Gebieten so bleibt, entsteht ein Milieu, in dem Resignation und Perspektivlosigkeit vorherrscht", sagt Hartmut Häußermann, Autor der Studie. Noch drohten in Berlin aber keine Zustände wie in der Banlieue von Paris zum Beispiel, einer No-go-Area, wo die soziale Ausgrenzung von Zeit zu Zeit zu Gewaltausbrüchen führt.

Wer aber sind die Gewinner in der Entwicklung der vergangenen Jahre? An den Beispielen der Paul-Heyse-Straße in Prenzlauer Berg, der Perleberger Straße in Moabit und des Platzes der Luftbrücke in Tempelhof lassen sich die Segnungen einer Stadtentwicklung mit positivem Vorzeichen beobachten. Auch der östliche Teil von Prenzlauer Berg profitiert vom Kultstatus des Kiezes: Im Kern von "Prenzlberg" können sich viele die Wohnungen nicht mehr leisten - man zieht deshalb an den östlichen Rand dieses Gebiets, der vom Zuzug profitiert. Dies gilt auch für die Perleberger Straße in Moabit, sie profitiert wie der Süden des Bezirks von der Nähe zu Ministerien und Hauptbahnhof.

Die problematischen Gebiete dehnen sich aus

Der Platz der Luftbrücke gewinnt durch die Schließung des Flughafens Tempelhof und zugleich durch die Nähe zur Bergmannstraße, die seit Jahren im Aufschwung ist. Dagegen sind die Ränder der Stadt in Ost und West sowie innerstädtische Gebiete mit bereits großen sozialen Problemen die Verlierer der Stadtentwicklung. Die Plattenbausiedlungen von Marzahn-Hellersdorf zum Beispiel. Sie galten lange als Beispiele für funktionierende Großsiedlungen. Doch zuletzt zogen immer mehr Menschen mit Arbeit und mittleren Einkommen aus den Hochhäusern aus - weg in die benachbarten Eigenheimsiedlungen: Biesdorf, Kaulsdorf und Mahlsdorf, allesamt Gebiete mit gutem oder sehr gutem sozialen Status.

Ähnlich ist die Entwicklung im Nordwesten: In Spandau verschärft sich die soziale Lage von drei Quartieren im Zentrum des Bezirks. Für den Bezirk gilt aber auch: Die grünen Ränder - Staaken, Gatow oder Kladow -, geprägt durch Eigenheime, entziehen sich dem Abwärtstrend. Auffällig: Die sozial problematischen Gebiete im Wedding dehnen sich Richtung Norden aus und in Neukölln Richtung Südwesten (Mariendorf). Unter den Verlierern ist auch Kreuzberg: Hier kam der Aufschwung am Arbeitsmarkt weniger an als anderswo. 

Die Studie gibt es hier: www.stadtentwicklung.berlin.de

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