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Sozialwohnungen: Sarrazin hat sich verrechnet

Während seiner Zeit als Finanzsenator setzte Thilo Sarrazin einen Förderungsstopp für Sozialwohnungen durch - trotz heftigen Widerstands des damaligen Bausenators Peter Strieder. Nun zeigt sich, dass Sarrazins Sparmaßnahmen wenig fruchtbar sind.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Peter Strieder hatte doch recht. Als der frühere Bausenator und SPD-Landeschef 2003 davor warnte, die Anschlussförderung im sozialen Wohnungsbau komplett zu streichen, konnte er sich gegen den Finanzsenator Thilo Sarrazin nicht durchsetzen. Auch die SPD-Abgeordnetenhausfraktion verweigerte dem Parteifreund nach erbitterten Diskussionen die Gefolgschaft. Heute spricht aber vieles dafür, dass ein schrittweiser Ausstieg aus dem alten Fördersystem, den Strieder favorisierte, der bessere Weg gewesen wäre.

Und zwar nicht nur aus Sicht der betroffenen Mieter und Investoren. Sondern auch aus finanzpolitischer Perspektive. Denn neue Zahlen des Senats bestätigen, dass die von Sarrazin versprochenen Einsparungen unerreichbar sind. Seine Rechnung: Für die Sozialwohnungen, die zwischen 1987 und 1997 fertig wurden, hätte Berlin insgesamt 2,5 Milliarden Euro für eine 15-jährige Anschlussförderung (nach 15 Jahren Grundförderung) zahlen müssen. Mit einem sofortigen Förderstopp sei es im Idealfall möglich, 89 Prozent des Geldes einzusparen. Selbst unter weniger günstigen Umständen betrage die Sparquote mindestens 56 Prozent der gesamten Fördersumme.

Die Aussicht, den notleidenden Landeshaushalt langfristig um Milliardenbeträge zu entlasten, war 2003 ausschlaggebend für den Senatsbeschluss, die Anschlussförderung einzustellen. Alle waren sich einig, von den Mieterverbänden bis zur Industrie- und Handelskammer, dass das extrem teure System der sozialen Wohnungsförderung aus West-Berliner Zeiten nicht mehr bezahlbar war. Der These Sarrazins, dass „nur die Abkehr von unzweckmäßigen Subventionen Vertrauen in die zukünftige Entwicklung Berlins erzeugt“, widersprach niemand. Gestritten wurde aber über die Art und Weise des Subventionsabbaus.

Einem sofortigen Förderstopp setzte Senator Strieder damals den Vorschlag entgegen, mit den Wohnungseigentümern einen schrittweisen, vertraglich geregelten Föderausstieg zu vereinbaren. Er stand damit nicht allein. Eine vom Senat beauftragte Expertenkommission schloss sich im Januar 2003 mit knapper Mehrheit dem Votum des SPD-Spitzenmanns an. Die Idee: In den betroffenen 27 994 Wohnungen wird die Sozialmiete im Laufe von fünf Jahren auf die Vergleichsmiete (nach Mietspiegel) angehoben, abgefedert durch einen Härteausgleich für sozial schwache Mieter. Die Wohnungsinvestoren verzichten auf die Eigenkapitalverzinsung, die Anschlussförderung wird gekürzt und als Aufwendungszuschuss gezahlt.

Auf diese Weise, so errechneten die Experten, ließen sich 32 Prozent der gesamten Subventionen einsparen. Deutlich weniger als beim Sarrazin-Modell, aber die Fachleute hoben den Zeigefinger: Dessen radikale Methode sei mit rechtlichen und finanziellen Risiken behaftet. Das wahre Leben bestätigte diese Warnungen. Zwei große Risiken ließen den Spareffekt auf einen Bruchteil dessen schrumpfen, was Sarrazin versprochen hatte.

Risiko 1: Wegen des Förderstopps musste bisher für etwa jedes vierte Wohnobjekt Insolvenz angemeldet werden. Für den Vermögensschaden bürgt das Land Berlin, das war auch so geplant. Nicht eingeplant war, dass der Bund sich weigert, für die Hälfte der Bürgschaftssumme (bisher 340 Millionen Euro) einzustehen. Das Bundesverwaltungsgericht gab dem Bund recht. Risiko 2: Die Insolvenzen wurden bisher in fast allen Fällen erst am Ende der Grundförderung angemeldet. Die Hoffnung erfüllte sich also nicht, durch frühe Pleiten auch die Grundförderung vorzeitig einstellen zu können.

Wegen dieser beiden Risiken trat der „schlimmste Fall“ ein, den die Expertenkommission 2003 ausrechnete, dem aber niemand Beachtung schenkte: Der Spareffekt schrumpft demnach auf 10 Prozent der Fördersumme. Zwar bleibt bisher die Zahl der Insolvenzen hinter den damaligen Befürchtungen zurück. Doch am ernüchternden Ergebnis dürfte das wenig ändern.

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