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Die WM 2006 hat das Verhältnis der Berliner zur DFB-Elf verändert: Die Spieler wohnten im Schlosshotel Grunewald und ließen sich auf der Fanmeile feiern – mit den Sportfreunden Stiller.

© dpa

Späte Liebe zur Nationalelf: Berlin, du und deine Weltmeister

Weltmeister werden in Berlin gefeiert, keine Frage. Dabei war das Verhältnis lange schwierig. Noch während der WM 2006 sollte die DFB-Elf eigentlich in Leverkusen wohnen. Wie die Stadt die Liebe zur Nationalelf entdeckte - und umgekehrt.

Leverkusen? Bitte, wie war das? Richtig, wenn auch heute schwer vorstellbar: Die deutsche Nationalmannschaft sollte während der WM 2006 eigentlich im südlichen Nordrhein-Westfalen wohnen, weit, weit weg von der Hauptstadt. Rudi Völler hatte das in seiner Zeit als Teamchef noch eingetütet – war dann aber nach der EM 2004 wegen Erfolglosigkeit zurückgetreten. Leverkusen, so war es tatsächlich geplant für diese WM. Nicht irgendeine, sondern die in der Heimat, Sommermärchen, Sie wissen schon ... Völlers Wohnort in der Nähe, viele Spielorte auch, der Sitz des Deutschen Fußball-Bunds (DFB) in Frankfurt am Main, damals hatte der gesamtdeutsche Fußball seine Heimat im Westen. Die Nationalmannschaft und Berlin, das war ein eher schwieriges Verhältnis, gespalten, wie die Stadt es selbst so lange war. Doch dann kam Klinsmann – und die Fanmeile.

Jürgen Klinsmann, Völlers Nachfolger, wollte nach Berlin, und da er sich ohnehin in fast allen Fragen mit dem Deutschen Fußball-Bund anlegte, konnte er auch einfach Völlers Vorarbeit abblasen – gegen den Willen des damaligen Präsidenten Theo Zwanziger. Klinsmann holte die Mannschaft in die Stadt, bezog Quartier im Schlosshotel Vier Jahreszeiten, Brahmsstraße in Grunewald. „In Berlin ist die Energie, deshalb wollen wir dort trainieren“, sagte Klinsmanns damaliger Assistent, ein gewisser Joachim Löw. Sie trainierten im Amateur-Stadion von Hertha BSC und im Mommsenstadion – und feierten am Brandenburger Tor, auf der ersten Fanmeile, ihren unverhofften dritten Platz. In diesen vier märchenhaften Wochen verliebte sich die Mannschaft in Berlin – und Berlin in diese Mannschaft, von der ein Großteil auch heute noch dabei ist, wenn die Weltmeister ab 10.30 Uhr auf der Straße des 17. Juni erwartet werden.

Als in der vergangenen Tagen die Frage aufploppte, wo sich das Team im Falle des Titelgewinns feiern lassen solle, wurde die Idee mit Frankfurt am Main schon fast belächelt. Sehr schnell war klar, dass es nur einen Ort geben könnte für die Sause mit den Weltmeistern: Berlin! Fanmeile! Na, wo denn sonst?

Dabei haben sie überhaupt erst ein einziges Mal hier gefeiert, dank der Fanmeile, die die Fifa dem Gastgeber 2006 mehr oder weniger aufgezwungen hatte. Noch vier Jahre zuvor hatte die DFB-Elf ihren zweiten Platz – natürlich! – in Frankfurt am Main gefeiert, wo der deutsche Fußball doch zu Hause ist. Lächerlich fand das damals niemand. Auch nach dem bis Sonntag letzten Titelgewinn ist die Mannschaft am 10. Juli 1990 natürlich am Rhein-Main-Flughafen gelandet, mit einem Autokorso zum Römerberg gefahren, hat sich im Kaisersaal ins Goldene Buch der Stadt eingetragen ... Aber das war ja auch noch vor der Wiedervereinigung. Und 1974 sowieso.

Jetzt hat Berlin hat den Fußball übernommen – zumindest den großen, internationalen. Das lässt sich nicht rückgängig machen: Im kommenden Jahr wird das Champions-League-Finale im Olympiastadion ausgetragen, und in zwei Jahren ist ja auch schon wieder EM. Auch wenn die Händler klagten, das schlechte Wetter die Stimmung anfangs vermieste – es ist kaum vorstellbar, dass je wieder eine Fußball-Großveranstaltung stattfindet ohne eine Fanmeile in Berlin. Spätestens seit Schweinsteiger Schlagzeug spielte mit den Sportfreunden Stiller, das ganze Land ihnen „Dieser Weg“ entgegenbrüllte, ist dieser Ort fürs Feiern fest gebucht – und das war ja erst der Anfang. Am heutigen Dienstag wird ein ganz neues, viel größeres Kapitel der Berliner Fußballfreundschaft geschrieben.

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