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Berlin: Späte Manöver sollen Wähler mobilisieren

Parteien werben vor allem um Unentschlossene Kandidaten reparieren sogar kostenlos Fahrräder

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Die Spannung steigt. Auch die Meinungsforscher können uns nicht mehr sagen, wie die politische Stimmung kurz vor der Abgeordnetenhauswahl tatsächlich ist. Die letzten Umfragedaten wurden vor einer Woche erhoben, auch wenn ein Institut seine Ergebnisse erst am Donnerstag veröffentlichte. Deshalb konnte sich das überraschende Koalitionsangebot der Grünen an die SPD in den Meinungswerten für die Parteien kaum noch widerspiegeln. Ebenso wenig der leichte bundespolitische Aufwind zugunsten der FDP.

Schwer einschätzbar ist auch, wie die Piraten-Partei als Neuling auf der politischen Bühne am Wahlsonntag abschneiden wird. In den repräsentativen Umfragen seit Beginn des heißen Wahlkampfs Anfang August liegen sie zwischen drei und neun Prozent. Inzwischen gehen die etablierten Parteien davon aus, dass im Abgeordnetenhaus für die Piraten nach dem 18. September ein paar Büros freigeräumt werden müssen. Ob die junge Partei die Fünfprozenthürde wirklich überspringt, stellt sich aber frühestens am Sonntag um 18 Uhr heraus, wenn die erste Prognose veröffentlicht wird.

Auch die anderen Parteien schwanken noch zwischen Hoffen und Bangen. Es ist kein Zufall, dass der SPD-Spitzenkandidat Klaus Wowereit jetzt öffentlich für „klare Verhältnisse“ plädiert und die Sozialdemokraten noch bis Sonntagmittag auf Straßen und in Cafés die Wähler für sich mobilisieren wollen. Die SPD hat die Berliner Wahl vor fünf Jahren in schlechter Erinnerung. „Alles ist schon gelaufen“, hieß es damals. Mit dem Ergebnis, dass Wowereit mit 30,8 Prozent der Stimmen deutlich hinter den Meinungsumfragen und Erwartungen zurückblieb.

CDU und Grüne gehen zwar nicht davon aus, bei der Wahl am Sonntag vor der SPD zu landen, aber sie konkurrieren hart um den zweiten Platz. Beide Parteien möchten mitregieren und werden bis Samstagabend noch auf vielen Straßen und Plätzen präsent sein. Wahlkreiskandidaten der Grünen bieten vereinzelt sogar kostenlose Fahrradreparaturen an. Die Linken kündigen für das Wochenende einen „48-Stunden“-Restwahlkampf an, inklusive nächtlicher Infostände, und die Liberalen wollen im gesamten Stadtgebiet eine „Aktionskarte“ verteilen, um unentschlossene Bürger in letzter Minute für die FDP zu gewinnen.

Eines könnte die plötzliche Unruhe in der letzten Woche – nach einem eher seichten Wahlkampf – bewirken: Eine höhere Wahlbeteiligung als 2006. An der letzten Abgeordnetenhauswahl nahmen nur 58 Prozent der Berechtigten teil. Das waren zehn Prozent weniger als 2001. Meinungsumfragen geben kaum Aufschluss über das Interesse der Bürger. Das gilt auch für den 18. September 2011. Allerdings haben bis einschließlich Donnerstag schon 447 000 Berliner Unterlagen für die Briefwahl beantragt. Das ist für Wahlen zum Landesparlament ein neuer Rekord. In Steglitz- Zehlendorf hat schon fast jeder vierte Wahlberechtigte seine Stimme abgegeben. Aber auch in den östlichen Bezirken ist das Interesse an der Briefwahl deutlich höher als 2006.

An der Abgeordnetenhauswahl 2011 dürfen 2,47 Millionen Berliner teilnehmen. Bei den Wahlen zu den Bezirksverordnetenversammlungen (BVV) sind außerdem 16- und 17-Jährige wahlberechtigt und in Berlin lebende EU-Bürger. Das erhöht die Zahl der Wahlberechtigten für die Bezirke um 182 000. Am Sonntag können die Berliner ab 8 Uhr in 1736 Wahllokalen ihr Kreuzchen machen. 17 000 ehrenamtliche Helfer werden die Stimmzettel einsammeln und nach 18 Uhr auszählen. Mindestens 130 Abgeordnete werden gewählt, davon 78 direkt in den Wahlkreisen. Zur Abgeordnetenhauswahl treten 22 Parteien mit insgesamt 922 Kandidaten an. Für die bezirklichen Mandate gibt es 2281 Bewerber.

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