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Berlin: Spandau: Lachen, bis die Wände wackeln

Geschmeidig. Wie ein Panther bewegt er sich auf dem Holzfußboden des Saals.

Geschmeidig. Wie ein Panther bewegt er sich auf dem Holzfußboden des Saals. Die Hände schmiegen sich gefaltet an den Körper, die Arme recken sich nach oben und wieder zurück. Dazu zählt er langsam in das Mikrofon, das an seinem Kopf befestigt ist. Er haucht die Zahlen fast hinein: One, durchatmen, two, durchatmen, three. Im Spandauer "Ella Kay Heim" ahmen 20 Frauen und Männer, bekleidet mit Jogginghosen und Wollsocken, die Übungen des Meisters nach.

Der Chinese Li Jun Feng ist in der Stadt. Na und?, werden einige sagen. Chinesen kommen viele in die Stadt. Doch Li Jun Feng ist kein gewöhnlicher Chinese, der auf Berlin-Besuch ist. Er ist Meister im Qi Gong, genauer gesagt im Wuji Yuan Gong, einer bestimmten Art des Qi Gong. Als chinesische Variante des Yogas bezeichnet der Meister diese Lehre. Qi heißt Lebenskraft. Durch die verschiedenen, fließenden Bewegungen soll die Lebenskraft jedes einzelnen gestärkt, schlechte Energien abgestoßen und Stress und Ängste abgebaut werden. Am Ende "öffnet sich das Herz". Das vermittelt Li Jun Feng jedenfalls seinen Schülern im Anfängerkurs. Der Meister, der seit Ende Juli in Deutschland ist, hat zuvor 60 Qi-Gong-Trainer aus der ganzen Welt in Spandau fortgebildet. Nun gibt er einigen Neu-Einsteigern ein paar Stunden, bevor er am Donnerstag weiter nach Schweden, Holland, Portugal und in die USA reist, um auch dort den Stressabbau zu fördern.

Dabei war er früher wahrlich kein Sanfter, Geschmeidiger. Als Chef-Trainer hat er die weltberühmte Bejing Wushu Nationalmannschaft im Kung Fu, also im Kampfsport, trainiert. Kung Fu ist hart. Die Bewegungen eckig, der Ton scharf und der Blick ernst. 17 Goldmedaillen gewann er mit seiner Mannschaft. Danach trat er als Hauptdarsteller in vier Kung-Fu-Filmen alles kurz und klein. Li Jun Feng wurde berühmt im Land des Lächelns. Und mit dem Ruhm kam der Stress.

"Ich habe nach einem Weg gesucht, den Stress abzubauen", sagt der kleine Mann. So ging er bei einem Meister in die Qi-Gong-Lehre und entdeckte die Philosophie, die dahinter steckt, als neue Lebensaufgabe für sich. 63 Jahre ist er alt, doch er sieht aus wie höchstens 40. Auch das schafft Qi Gong. Jedenfalls gibt es für Gabriele Schröder dafür keine Zweifel. Die Sport- und Englisch-Lehrerin sagt von sich selbst, dass sie noch vor zehn Jahren "durch Wände gegangen" ist, wenn sie sich über irgendetwas geärgert hat. Sie grübelte viel, zermarterte sich nächtelang das Hirn. Dann litt sie unter Kopfschmerzen. Obwohl sie stets versucht hat, "gesund zu leben", machte ihr plötzlich eine heftige Lungenentzündung zu schaffen. Jede Treppenstufe brachte sie an das Ende ihrer Kräfte. Über eine chinesische Ärztin ist sie während dieser Krankheit zum Qi Gong gekommen. Binnen drei Wochen habe sich ihr Zustand verbessert. Das war vor acht Jahren. Seither ist die 47-jährige tief verankert in der Welt der Kranich- und Duft-Übungen, in der Welt des Qi Gong. Einmal pro Woche unterrichtet sie jetzt selbst diese Entspannungslehre. Als sie vor einigen Jahren bei einem Seminar in Potsdam den Meister Li Jun Feng kennengelernt hat, "habe ich das Qi Gong nochmal viel intensiver wahrgenommen", erinnert sie sich, "er hat eine ganz besondere Art, die ich bei keinem anderen Lehrer zuvor gesehen habe". Seine Ausstrahlung, die Liebenswürdigkeit jedem einzelnen Menschen gegenüber seien es, was diesen Lehrer so außergewöhnlich mache.

In Deutschland arbeiten fast alle Menschen eifrig und gewissenhaft, erzählt der Meister seinen Schülern, "überall rackern die Deutschen viel, um erfolgreich zu sein. Doch was ihnen oft fehlt, ist die Gelassenheit, ist das Lächeln". Mit einem schallenden, herzhaften Lachen, tief innen aus dem Bauch heraus sei das Leben viel einfacher. Deswegen stellt sich der kleine Mann mitten in den Kreis der Schüler, holt tief Luft und lacht so laut, dass fast der Holzboden vibriert. Die Schüler im Kurs lachen mit. Manche zaghaft, manche schallend. Wie man es allerdings schafft, seinem Chef in stressigen Situationen zu erklären, warum man sich plötzlich prustend vor Lachen auf die Schenkel klopft, erklärt der Qi-Gong-Meister nicht. Vielleicht denkt einer, der aus dem Land des Lächelns kommt, einfach nicht daran.

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