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Berlin: Spandau setzt Asylbewerber unter Druck

Wer nicht bei der Beschaffung von Papieren mithilft, muss ins Heim umziehen. Migrationsbeirat und Flüchtlingsrat reagieren empört

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Spandaus Sozialstadtrat Martin Matz (SPD) kündigt ein härteres Vorgehen gegen Flüchtlinge und Asylbewerber an. Wer nicht bereit ist, bei der Klärung seiner Identität und seiner Staatsangehörigkeit mitzuarbeiten, muss künftig unter Verzicht von Bargeldleistung ins Heim umziehen, erklärte Stadtrat Matz.

Nach dem April 2006 eingereiste Asylbewerber werden in Berlin grundsätzlich ohne Bargeldleistung bei Vollverpflegung im zentralen Heim des Landes in Siemensstadt untergebracht. Nun sollen in Spandau auch alle Akten von Berechtigten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz überprüft werden, kündigte Matz an. Im Bezirk gebe es noch 122 Betroffene, die bereits seit längerer Zeit in vom Sozialamt bezahlten Wohnungen leben und beispielsweise jede Mitwirkung bei der Feststellung ihrer Identität und Nationalität verweigern. Die Behörde fordert sie nun per Schreiben auf, binnen vier Wochen zuzustimmen, bei der Beschaffung von Papieren mitzuwirken.

Der Sozialdemokrat Matz hofft, auf diese Weise die Mehrzahl der Asylbewerber doch noch zur Mitarbeit bewegen zu können. In anderen Bezirken sieht man die Problematik nicht. „Solche Fälle gibt es bei uns nicht“, sagte Neuköllns Sozialstadtrat Michael Büge (CDU). Auch seine Kollegin Martina Schmiedhofer (Grüne) in Charlottenburg-Wilmersdorf verweist darauf, dass die Zustimmung zur Wohnungsanmietung an die Mitwirkung des Asylbewerbers gebunden sei. Eine gezielte Suche nach problematischen Fällen sei nicht vorgesehen. Ausnahmen von der Heimunterbringung mache man seit April 2006 sowieso nur bei Familien und Asylbewerbern mit Gesundheitsproblemen, erklärte in Marzahn-Hellersdorf Bürgermeisterin Dagmar Pohle (Die Linke/PDS). Gerade bei Familien sei eine Wohnung auch die kostengünstigere Lösung.

Die Innenverwaltung wollte das Vorgehen Spandaus nicht kommentieren. Nach Angaben der Ausländerbehörde leben rund 8800 geduldete Ausländer ohne Aufenthaltsstatus in Berlin – vor allem Kurden, Palästinenser und Libanesen. Aber auch Menschen aus Ex-Jugoslawien, afrikanischen Staaten oder der früheren Sowjetunion. Bei den meisten werde die Herkunft geklärt; sie dürfen oft bleiben und arbeiten. Manche, wie etwa Vietnamesen, können aber nur deswegen bleiben, weil sie keinen Pass haben. Anderenfalls würden sie sofort abgeschoben. Deshalb weigern sich manche Flüchtlinge wie in Spandau, bei der Beschaffung ihrer Papier mitzuwirken. Matz hält die Heimeinweisung bei solchen Fällen „als Sanktion“ für gerechtfertigt.

Die Polizei hat bereits vor fünf Jahren die Ermittlungsgruppe „Ident“ beim Landeskriminalamt gegründet. Die Ermittler sind damit beschäftigt, Flüchtlingen, die sich ihre Duldung erschlichen haben, ihre tatsächliche Herkunft nachzuweisen und sie abzuschieben. Ob die Ermittler das härtere Vorgehen Spandaus begrüßen, dazu gab es von der Polizei keinen Kommentar. Aus politischen Gründen. Die Ermitttler haben es meist mit Kriminellen zu tun, die angeben, aus dem Libanon zu kommen, obwohl sie Türken sind. Das wohl bekannteste Beispiel ist der selbst ernannte „König der Unterwelt“, Mahmoud Al-Z., auch „Präsident“ genannt. Er steht wegen Drogenhandels vor Gericht. Der zehnfache Vater ist nicht, wie behauptet, libanesischer Bürgerkriegsflüchtling, sondern unter anderem Namen in der Türkei als Mahmut U. registriert. Mit den falschen Personalien habe er sich ausländerrechtliche Duldungen und über Jahre für seine Familie Sozialhilfe erschlichen, so der Vorwurf in einem weiteren Verfahren.

Beim Berliner Beirat für Migration und Integration gibt es heftige Kritik an Spandaus Vorgehen. Das sei „restriktiv und inhuman“, sagte Beiratsmitglied und Vizepräsident der Internationalen Liga für Menschenrechte, Yonas Endrias. „Einige Flüchtlinge geben ihre Identität nicht preis, weil sie in ihrem Herkunftsland Tod, Verfolgung und Folter erwartet.“ Anders als der Bezirk habe sich das Land über seinen Innensenator zuletzt im Bund für liberale Regelungen eingesetzt. „So muss man etwa Jugendlichen aus dem Libanon, die hier aufwuchsen, endlich erlauben, sich um eine Lehrstelle zu bewerben.“

Empört reagierte der Sprecher des Berliner Flüchtlingsrats, Jens-Uwe Thomas: „Das Heim ist eigentlich als Erstaufnahme für Asylbewerber gedacht. Spandau will es nun in ein sogenanntes Ausreisezentrum umwandeln, in dem Flüchtlinge durch schlechtere soziale Bedingungen de facto zum Verlassen Deutschlands erpresst werden sollen.“ Solche Ausreisezentren gibt es, so Thomas, bereits in einigen Bundesländern, in Berlin waren sie aber bislang politisch nicht durchsetzbar. Der Flüchtlingsrat werde im Senat gegen diesen „rechtswidrigen“ Versuch Spandaus vorgehen. Auch deshalb, weil einige Bezirke schon jetzt geduldete Flüchtlinge in diese Einrichtung eingewiesen haben.

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