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Berlin: Spandau wird zum Problembezirk

Verschuldete Haushalte, niedriger Bildungsstand, hohe Suizidrate Sozialstadtrat zieht deprimierende Bilanz. Ein Stadtteil in sozialer Randlage

Berlin hat einen Problembezirk mehr: Spandau. Sozial- und Gesundheitsstadtrat Martin Matz (SPD) zog gestern eine deprimierende 150-Tage-Bilanz. Hinsichtlich der sozialen und gesundheitlichen Probleme sei Spandau nicht mit Reinickendorf oder Steglitz-Zehlendorf zu vergleichen, sondern mit Neukölln oder Friedrichshain-Kreuzberg, also eher Innenstadtlage statt Randbezirk.

Die Zahlen und Daten seien bekannt, sagte Matz. Doch bisher habe in der Bezirkspolitik die Bereitschaft gefehlt zu thematisieren, „dass auch wir hier schwerwiegende Probleme haben“. Weiter sagte Matz: „Wir werden unsere sozialen und gesundheitlichen Probleme garantiert nicht lösen können, wenn wir sie nicht ehrlich eingestehen.“

Das Beispiel seines Neuköllner Parteifreundes, des dortigen Bürgermeisters Heinz Buschkowky, zeige, wie man überregionale Aufmerksamkeit für ungelöste Probleme erreichen kann, ohne einen Bezirk schlechtzumachen. Das mangelnde Bewusstsein in der Öffentlichkeit über die tatsächliche Situation habe dazu geführt, dass die meisten Präventionsprojekte an Spandau vorbeigingen.

Und am westlichen Stadtrand gibt es reichlich alarmierende Entwicklungen: Der Bezirk belegt den Spitzenplatz bei Verbraucherinsolvenzen. Nirgendwo sonst ist die Suizidrate unter Frauen höher. Gemeinsam mit Neukölln hat Spandau den höchsten Anteil an Volks- und Hauptschulabsolventen und die wenigsten Einwohner mit Hochschulreife. Beim Sprachförderbedarf von Kindern ohne Migrantionshintergrund liegt der Bezirk ebenso wie bei den Arbeitslosen auf dem dritten Rang, bei den Langzeitarbeitslosen an vierter Stelle. Und die Lebenserwartung der Spandauer ist um 0,7 Jahre kürzer als im Bundesdurchschnitt. Früher stirbt man nur in Neukölln, Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg.

Spandau ist vom Abbau der Industriearbeitsplätze in Berlin besonders betroffen, so Matz. Die Arbeitslosigkeit führe oft auch zum finanziellen Ruin und zu gesundheitlichen Problemen. Besonders erschreckt hat ihn die Tatsache, dass die zuvor im Durchschnitt liegende Zahl notwendiger Krankenhausaufenthalte seit 1996 auf einen Berliner Spitzenwert emporgeschnellt ist.

Bei den bisherigen Problemkiezen Falkenhagener Feld und Heerstraße-Nord hat erst die öffentliche Diskussion über Kriminalitätsschwerpunkte einen „heilsamen Schock“ ausgelöst, erklärte Matz. Sinnvoll wäre es aus seiner Sicht, auch Neu- und Wilhelmstadt zu Präventionsgebieten mit Quartiersmanagement zu machen. Dringend sei der Bedarf an zusätzlichen Präventionsprojekten. Bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit setzt der Sozialstadtrat auch auf Angebote des von der rot-roten Koalition vereinbarten öffentlichen Beschäftigungssektors. „Unser Hauptproblem sind die Langzeitarbeitslosen über 50“, sagte Matz. Hier wäre der Bezirk auch bereit, eine Vorreiterrolle zu übernehmen. Auch die Verteilung der Haushaltsmittel müsse überdacht werden. Hier müsse man sich fragen, ob es besser sei, Schlaglöcher zu reparieren oder beispielsweise eine zusätzliche Sozialarbeiterin im Kinderschutzbereich einzustellen.

Rainer W. During

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