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Berlin: Sparen mit Spaghetti

Sarrazin stößt mit Hartz-IV-Speiseplan auf Kritik. Sozialverband spricht von Milchmädchenrechnung

Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) hat jetzt den Empfängern von Arbeitslosengeld II (ALG II) vorgerechnet, wie sie preiswert einkaufen können, und einen Musterspeiseplan nach dem Hartz-IV-Regelsatz aufgestellt. Laut Sarrazin kann man etwa für 3,98 Euro ein Frühstück mit Brötchen, Marmelade, Käse, Tee, ein Mittagessen mit Spaghetti Bolognese und Abendbrot mit Leberkäse und Kartoffelsalat bekommen. Diese Vorschläge des Senators sind allerdings bei Sozialverbänden und der Linkspartei mit Befremden zur Kenntnis genommen worden.

Die Direktorin des Diakonischen Werkes, Susanne Kahl-Passoth, nannte Sarrazins Haushaltsplan eine Milchmädchenrechnung. Man könne nicht nur einfach die Preise der einzelnen Waren betrachten. In immer mehr Hartz-IV-Haushalten bleibe inzwischen der Herd kalt, weil etwa die Stromrechnung nicht bezahlt werden könne. Die Zahl der Familien, die sich bei der Arche oder anderen Suppenküchen versorgten, sei weiter zunehmend. Die Regelsätze – 347 Euro bei Alleinstehenden und 311 Euro bei Paaren – seien nicht ausreichend und berücksichtigten auch außerplanmäßige Belastungen nicht. Wenn eine neue Brille fällig werde oder die erste Schulausstattung für die Kinder, „läuft die Haushaltsplanung aus dem Ruder“, sagte Kahl-Passoth. Die Sozialverbände haben deshalb bereits im vergangenen Herbst bundesweit gefordert, die Regelsätze um 15 bis 18 Prozent zu erhöhen. Vor allem die Leistungen für Kinder (208 Euro) seien viel zu niedrig und auch nicht an dem tatsächlichen Bedarf orientiert. Eine Studie war zudem zu dem Schluss gekommen, dass eine ausgewogene Ernährung der Kinder so nicht möglich sei.

„Es ist immer schwierig, wenn gut bezahlte Menschen wie wir Menschen mit geringem Einkommen etwas vorrechnen“, sagte Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (Linke) zu den Vorschlägen ihres Senatskollegen. Es gehe hier nicht nur um die Kosten für das Essen, sondern auch um eine Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben. Wie die Sozialverbände setzt sich auch die Linke für eine Erhöhung der Regelsätze ein. Der Linke-Landesvorsitzende Klaus Lederer warf Sarrazin „Borniertheit und Zynismus“ vor.

Anders als die frühere Sozialhilfe wird ALG II als Pauschale gezahlt, von der auch größere und unvorhergesehene Anschaffungen zu finanzieren sind. Man kann also keine zusätzlichen Gelder etwa für einen Wintermantel beim Jobcenter beantragen. „Nur was ausdrücklich im Gesetz steht, wird als Mehrbedarf anerkannt“, sagt Michael Kanert, Sprecher des Sozialgerichts. Dazu gehören Klassenreisen der Kinder oder die erste Ausstattung einer Wohnung.

In Berlin leben derzeit rund 319 000 Haushalte von Hartz IV.

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