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Klaus Ness (Dritter von links) mit Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (li.), Brandenburgs Ministerpräsidenten Dietmar Woidke und dem ehemaligen Ministerpräsidenten Matthias Platzeck (re.) auf einem Bild aus dem Sommer 2014.

© Nestor Bachmann, dpa

SPD Brandenburg: Der klügste Kopf - ein Nachruf auf Klaus Ness

Ohne ihn ging nichts, er war ja immer da, mit klarer Meinung: Der Brandenburger SPD-Fraktionschef Klaus Ness ist tot. Ein Nachruf.

Irgendetwas stimmte nicht. Heute Abend müsse er einmal zeitiger ins Bett, hatte Klaus Ness gesagt, nur ein paar Stunden vorher, was für ihn, den Vollblutpolitiker – immer unter Strom seit zweieinhalb Jahrzehnten, Sechs-Tage-Woche rund um die Uhr – schon ungewöhnlich war. Klaus Ness telefonierte da mit Matthias Platzeck, dem Freund und engsten politischen Weggefährten. Beide deklinierten die Großwetterlagen der Politik durch, im Bund und im Land, ehe sie ihr Gespräch unterbrochen hatten: Ness musste in den Landtag.

Kurz darauf, am Donnerstagabend, brach er dort plötzlich mitten beim parlamentarischen Abend zusammen. Es waren dramatische Szenen, die sich abspielten. Zwei Ärzten, dem CDU-Abgeordneten Michael Schierack und der Grünen Ursula Nonnemacher, gelang es zwar, Ness noch einmal wiederzubeleben. Doch in der Nacht zum Freitag ist der 53-jährige, im Potsdamer Klinikum Ernst-von-Bergmann verstorben.

Die Nachricht des Todes von Ness, SPD-Fraktionschef im Landtag, früher lange Jahre Generalsekretär der Landes-SPD, einer der wichtigsten und prägendsten Politiker des Landes, verbreitete sich am Morgen danach in der überschaubaren, eher familiären Politikgesellschaft der Mark wie eine Schockwelle. „Es ist so unfassbar, so unvorstellbar“, sagte Ex-Regierungschef Platzeck, der noch in der Nacht im Krankenhaus war, mit Frau Gregor-Ness, mit Dietmar Woidke und Britta Stark. „Wir sind zwei Jahrzehnte jeden Schritt gemeinsam gegangen.“ Ness verstorben, im Alter von 53 Jahren? Er, der in der Landespolitik immer dazu gehörte? „Ich denke, ich trete damit niemandem zu nahe“, sagte Platzeck. „Er war der klügste Kopf der Brandenburger SPD.“

Auch beim Gegner geachtet als aufrichtiger Typ

Ja, Brandenburgs Sozialdemokraten, die seit 1990 hier ununterbrochen die Regierungschefs stellen, haben diesen Erfolg maßgeblich ihm zu verdanken. Ness, Arbeiterkind, aufgewachsen in der niedersächsischen Stahlstadt Peine als Arbeiterkind, SPD-Eintritt mit 15, Lehrerstudium, war 1991 nach Brandenburg gekommen. Er war erst Mitarbeiter, dann Landesgeschäftsführer und Generalsekretär der Landes-SPD, ehe er unter dem neuen Regierungschef Dietmar Woidke die Landtagsfraktion übernahm. Er war es, der zwei Jahrzehnte für die Regierungschefs Manfred Stolpe und Matthias Platzeck die erfolgreichen Wahlkämpfe konzipierte und organisierte.

Er disziplinierte nach Innen und lieferte sich mit dem Gegner die härtesten Gefechte. Er sei ein „konzeptioneller Stratege, ein Intellektueller, mit einer großen Begabung für die praktischen Dinge der Politik“ gewesen, sagt Platzeck. Dabei war Ness nie beliebt, auch nicht nicht in den eigenen Reihen. „Das will ich auch gar nicht sein“, hat er einmal gesagt. Und für die Konkurrenz war er oft ein rotes Tuch, weil er keilte und austeilte, scharfzüngig wie kein Sozi sonst und dabei auch Grenzen überschritt.

Trotzdem wurde Ness respektiert, auch beim Gegner geachtet als aufrichtiger Typ. Niemand hatte Zweifel, dass er es ernst meinte. Und die Erfahrung, dass man sich auf sein Wort verlassen konnte, haben viele gemacht. Das mag erklären, warum etwa die Liberalen die ersten waren, die am Morgen eine betroffene Erklärung verschickten, und warum die CDU in der Nacht ihre Mitglieder per SMS über die „traurige Nachricht“ informierte.

In tiefer Sorge um Brandenburg

Am Tage danach hört man in Potsdam viele nachdenkliche Stimmen, nämlich über den Preis der Belastung des Politikbetriebes. Ness sei einer gewesen, der für die Politik alles gegeben habe, ein politischer Workaholic, ein Kettenraucher dazu. Der manchmal selbst vergaß, sich von seiner Frau zu verabschieden, in Gedanken bereits beim nächsten Termin. „So ist er“, sagte Martina Gregor-Ness dazu, die bis 2014 im Landtag saß, eine bodenständige Lausitzerin, die Ness 2007 geheiratet hatte.

Beide lebten in Senftenberg. Es war eine Beziehung, die Ness „endgültig zum Brandenburger werden ließ, die ihn erdete“, wie Freunde sagen. In den Wochen hatte der SPD-Politiker vor allem ein Thema, das ihn umtrieb. Es war die tiefe Sorge, dass es auch in Brandenburg humanitäre Dammbrüche wie in Sachsen, Ausschreitungen gegen Flüchtlinge, ein weiteres Erstarken rechter Extremer geben könnte. Das zu verhindern, war für ihn wichtig. Fast kein Gespräch, das nicht auf diesen Punkt kam. Und so gelang es Ness, dem frühere Polarisierer, im Landtag Brücken zu bauen, eine Allianz der demokratischen Parteien gegen die AfD zu schmieden.

Wer ihn kannte, der weiß deshalb, dass dieser Mann auf einen Nachruf verzichtet hätte – auf den von Alexander Gauland, dem früheren Herausgeber und jetzigen Chef der AfD in Brandenburg, mit dem er früher eine gemeinsames Literatur-Quartett veranstaltet hatte, dessen Stimmungskreuzzug gegen Flüchtlinge er verabscheute und mit seiner schärfsten Waffe bekämpfte: dem Wort.

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