zum Hauptinhalt

SPD in Berlin erwägt Abriss: Ist das ICC bald Geschichte?

Still und leise diskutiert die Politik über das ICC. Die Kosten für eine Sanierung werden 400 Millionen Euro geschätzt. Maßgebliche Kräfte in der SPD bringen daher einen Abriss ins Gespräch. Das baufällige Gebäude könnte aber auch Jahrzehnte ohne Einsturz überdauern.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

In die Luft sprengen? Das geht nicht. Das Internationale Congress Centrum (ICC), eingezwängt zwischen Autobahn, S-Bahn und Messedamm, kann nur Stück für Stück abgetragen werden. 3000 Güterwaggons Beton und so viel Stahl, dass man daraus 15 Funktürme basteln könnte, müssten mit großer Vorsicht ausgebaut und weggeschafft werden. Unmengen Aluminium, Kunststoffe und mit Schadstoffen verseuchte Dämmmaterialien wären zu entsorgen. Dazu tonnenweise Granit und Fliesen, hunderte Kilometer Kabel und Rohrleitungen. Die Überreste einer statisch höchst komplizierten, mehrschichtigen Konstruktion aus Stützen und Querträgern, die auf gigantischen Neoprenlagern ruhen.

Eine logistische Meisterleistung

Bis zur Neubebauung des Potsdamer Platzes war das 1979 eröffnete ICC das größte Bauprojekt Berlins in der Nachkriegszeit. Das lässt ahnen, welche logistische Meisterleistung es wäre, den 320 Meter langen, 80 Meter breiten und 40 Meter hohen Koloss beiseitezuräumen. Teile der Avus, des Stadtrings, des Messedamms, der Halensee- und Kantstraße müssten ein, zwei Jahre gesperrt oder umgebaut werden. Das Gleiche gilt für das verwirrende Netz der Autobahnzubringer im direkten Umfeld des ICC.

Eine Sanierung ist unbezahlbar

Aber wer redet denn vom Abriss des vielfach preisgekrönten Berliner Kongresszentrums? Öffentlich niemand, kein Politiker traut sich das jetzt laut zu sagen. Doch in der rot-schwarzen Koalition wird das Thema mangels bezahlbarer Alternativen wieder hervorgekramt. Eine Sanierung des Gebäudes, die mindestens 400 Millionen Euro kosten würde, kann sich Berlin nämlich nicht leisten. Aus der Not heraus sucht Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer (CDU) mithilfe des Immobiliendienstleisters „Drees & Sommer“ derzeit nach privaten Investoren, die bereit sind, viel eigenes Geld in das ICC zu stecken.

Großinvestoren scheuen sich, die Betriebsgenehmigung läuft aus

Der ehemalige Messechef Raimund Hosch sagte kürzlich, dass es in Europa immerhin „drei bis fünf“ Großinvestoren gebe, die das ICC umgestalten und vermarkten könnten. Namen nannte er aber nicht. Realistisch wäre wohl nur ein Mix aus kommerziellen Großevents, Shopping Mall und Ausstellungsflächen für die Messe, hört man in der Umgebung der landeseigenen Gesellschaft. Allerdings hat Senatorin Yzer senatsintern signalisiert, dass ihre „Marktabfrage“ bislang keinen Anlass zu großen Hoffnungen gibt, für das marode Kongresszentrum einen privaten Retter zu finden.

Das ICC verliert seinen Tüv - zu früh

Erst im März 2014 will der Senat über das endgültige Schicksal des ICC beraten. Das ist eindeutig zu spät, denn die Betriebsgenehmigung für den Mammutbau läuft am Jahresende aus und der Tüv Rheinland wird sie auf Antrag der Messe nur um wenige Wochen verlängern. Unter anderem läuft der Tüv aus, weil die Brandschutzanlage komplett erneuert werden müsste. Im Frühjahr 2014 wird deshalb der City Cube, der neue Kongresspalast am Standort der abgerissenen Deutschlandhalle, alle Veranstaltungen übernehmen. Dann wird das ICC zwangsweise stillgelegt und könnte dank der soliden Baumaterialien, aus denen es besteht, viele Jahrzehnte überdauern, ohne einzustürzen. Eine imposante Bauruine.

Eine preiswerte Option gibt es nicht, die Debatte beginnt nach der Sommerpause

Um zu verhindern, auf diese Weise zum Gespött der Republik zu werden, bringen maßgebliche Kräfte in der SPD erneut einen Abriss ins Gespräch. Bisher nur intern und mit aller gebotenen Vorsicht. Aber es scheint möglich, dass aus haushaltspolitischen Gründen der Schutzkordon zerbricht, den der Koalitionspartner CDU bisher um das ICC gelegt hat. Im Gegenzug könnten die Sozialdemokraten auf den Bau der ebenfalls schwer finanzierbaren Landesbibliothek verzichten. Diese Debatte wird nach der Sommerpause, wenn der Doppelhaushalt 2014/15 parlamentarisch beraten wird, voraussichtlich an Fahrt gewinnen.

Kriegszustand in Charlottenburg

Allerdings müsste die Koalition den Mut aufbringen, im Zuge des Abrisses ein ganzes Stadtviertel im Westen Charlottenburgs in einen kriegsähnlichen Zustand zu versetzen. Denn das ICC gründet 15 Meter tief und die Fundamente reichen, einschließlich aller Energie- und Versorgungsleitungen, weit über den sichtbaren Teil des Gebäudes hinaus. Es ist, als wolle man einen Baum nicht fällen, sondern mit der Wurzel ausgraben. Deshalb gibt es in der Koalition maßgebliche Stimmen, die nur einen oberflächlichen Abriss vorschlagen. Die Kellergeschosse sollten anschließend mit Sand aufgefüllt werden. Preiswert wäre auch das nicht.

2005 ließ der Senat ein Gutachten anfertigen, das die Abrisskosten auf 30 Millionen Euro schätzte. Im vergangenen Jahr sprach Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) in einer Fraktionssitzung schon von 180 Millionen Euro. Dabei würde es vermutlich nicht bleiben.

Zur Startseite