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Engagierte Debatte vor leeren Reihen. Hilde Matthais, Raed Saleh und Ülker Radziwill am Mittwochabend.

© Caspar Schwietering

SPD-Mitgliederentscheid: "Nieder mit der Niedersachsen-Mafia"

Am Mittwoch trafen sich die Partei-Linken in kleiner Runde zur Abschlussveranstaltung ihrer No-Groko-Kampagne. Doch die Debatte drehte sich mehr um die Vergangenheit.

Groß war der Andrang am Mittwochabend in der SPD-Parteizentrale im Wedding nicht. Seit Wochen ist die Partei-Linke Hilde Mattheis durchs ganze Land gereist, um für ein Nein der SPD-Mitglieder zur großen Koalition zu werben. Nun beendete das von ihr geführte Forum Demokratische Linke (DL21) seine No-Groko-Kampagne in einem beinahe intimen Kreis - mit neun Besuchern.

 „Die Luft ist raus, die Leute haben die Briefe abgeschickt“, kommentierte Mattheis. Dabei war das Treffen am Mittwoch durchaus prominent besetzt. Neben Mattheis saßen ihre Stellvertreterin Ülker Radziwill aus Berlin und der Fraktionsvorsitzende im Abgeordnetenhaus Raed Saleh auf dem Podium.

Ja oder Nein – um diese Frage ging es in dieser Runde naturgemäß nicht mehr. „Wir müssen uns hier nicht gegenseitig katholisch machen“, sagte ein Teilnehmer. Dennoch entwickelte sich eine muntere Diskussion zur Zukunft der SPD.

Raed Saleh setzt auf Sicherheit und Ordnung

Raed Saleh skizzierte das Bild einer Partei, die aus der Opposition heraus wieder um die Meinungsführerschaft kämpft. „Sicherheit und Ordnung sind linke und nicht rechte Themen“, sagte er. „Denn wenn es keine Sicherheit und keine Ordnung gibt, dann setzen sich die Stärkeren durch.“

Die Menschen müssten das Gefühl haben, dass die SPD auf ihrer Seite stehe. Jene, die Angst vor Überfremdung hätten, dürfe man nicht als Rechte beschimpfen. „Wir müssen den Menschen klarmachen, dass alle Menschen, die hier leben, dieselben Rechte und Pflichte haben. Ansonsten wird die AfD in Spandau und anderswo bald bei 20 Prozent stehen.“

Sicherheit und Ordnung als zentrale SPD-Themen - damit konnte Mattheis nicht viel anfangen. „Wir haben das Koordinatensystem unserer Partei in den letzten Jahren nach rechts verschoben.“ Das gelte es zu revidieren.  Den Dissens lächelten die beiden aber professionell weg.

Ülker Radziwill warnte noch einmal vor einer großen Koalition. „Schon in der letzten Großen Koalition hat die Union unsere Projekte blockiert. Und im aktuellen Koalitionsvertrag werden die Zukunftsthemen in Kommissionen verschoben. Vier weitere Jahre Stillstand können wir uns nicht mehr leisten.“ Die SPD müsse Solidarität neu denken in der Opposition und Merkel als Kanzlerin einer Minderheitsregierung um Zustimmung werben lassen, meinte die Sozialpolitikerin aus dem Abgeordnetenhaus.

Der Rest ist Vergangenheitsbewältigung

Damit war der Startschuss erfolgt. Fortan beschäftigten sich die Genossen wieder mit ihrem liebsten Spiel: der Aufarbeitung der Vergangenheit. Raed Saleh betonte, dass er bereits 2013 gegen die Große Koalition und für ein rot-rot-grünes Bündnis gestimmt hatte. Die SPD brauche Haltung statt Haltungen, sagte er. Eine kaum verhüllte Spitze gegen die ehemaligen Vorsitzenden Sigmar Gabriel und Martin Schulz.

Hilde Mattheis ging in ihrer Betrachtung noch weiter zurück. Sie stehe bereits seit 1998 für eine andere Politik. „Die Niedersachsen-Mafia muss gestoppt werden“, tönte es aus dem Publikum. Auch die Frage, ob im letzten Bundestagswahlkampf genug von Hartz-4 die Rede war, kam jetzt wieder auf den Tisch. Und ein Parteimitglied wollte unbedingt die Diäten der Bundestagsabgeordneten diskutieren. Hilde Mattheis (MdB) ertrug es stoisch.

Bereits am Sonntag will sich das Forum Demokratische Linke in einer Kneipe in Mitte abermals treffen. Dann will man zusammen über die Ergebnisse des Mitgliederentscheids beraten. Eine Prognose wollte Mattheis am Donnerstag nicht abgeben. „Niemand kann letztlich sagen, wie die vielen nicht-aktiven Parteimitglieder abstimmen werden.“ Auf vielen Treffen mit der Basis, die sie zusammen mit Befürwortern bestritten habe, habe sie aber das Gefühl bekommen,  dass es knapp werde.

Raed Saleh erzählte dann noch schmunzelnd von einer Probeabstimmung bei einer Veranstaltung in Spandau: „Da waren 80 Prozent der Anwesenden gegen die Groko.“

Caspar Schwietering

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