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Berlin: SPD und Grüne wollen den einstigen Stadtkommandanten wieder zum Ehrenbürger machen

Acht Jahre nach der Bereinigung der Ehrenbürgerliste ist der Senat mit Korrekturforderungen konfrontiert. SPD und Grüne fordern, dass die Streichung des sowjetischen Generalobersts Nikolaj Bersarin rückgängig gemacht wird.

Acht Jahre nach der Bereinigung der Ehrenbürgerliste ist der Senat mit Korrekturforderungen konfrontiert. SPD und Grüne fordern, dass die Streichung des sowjetischen Generalobersts Nikolaj Bersarin rückgängig gemacht wird. Die Grünen haben einen entsprechenden Antrag im Abgeordnetenhaus eingebracht. Ein von der SPD formulierter Koalitionsantrag schmort bereits seit Ende März bei der CDU. CDU-Fraktionsgeschäftsführer Roland Gewalt hält die Sache "nicht für sinnvoll". Bersarin war 1945 der erste Stadtkommandant Berlins. 30 Jahre nach seinem Tod hatte ihn Ost-Berlin 1975 zum Ehrenbürger ernannt. Der Senat übernahm ihn 1992 nicht für Gesamtberlin.

Inzwischen hat sich das Bild Bersarins durch neue historische Forschungen gewandelt. Dies wurde in der Bersarin-Ausstellung im deutsch-russischen Museum in Karlshorst dokumentiert. Irana Rusta, die kulturpolitische Sprecherin der SPD, hat eine Initiative gestartet, diese Ausstellung auch im Abgeordnetenhaus zu zeigen, und deshalb bereits am 20. März an Parlamentspräsident Reinhard Führer geschrieben. Bersarin wird nun als ein Mann lauterer Gesinnung dargestellt, der darauf bedacht war, dass die Versorgung der Berliner mit dem Notwendigsten, die Verwaltung und das öffentliche Leben in der zerstörten Stadt ganz schnell wieder in Gang kamen. Vor allem haben Historiker die Behauptung widerlegt, Bersarin sei in der Nacht zum 14. Juni 1940 als Militärbefehlshaber im Baltikum für die Deportation von 47 000 Menschen in Lettland verantwortlich gewesen. Dokumente belegen, dass er erst Ende Mai 1941 aus Irkutsk nach Lettland versetzt wurde.

General Bersarin hatte an der Schlacht um Berlin teilgenommen und wurde bereits am 24. April 1945 zum Stadtkommandanten ernannt, als Hitler noch im Führerbunker saß. Stalin galt er wegen seiner Motorradleidenschaft als "Rowdy". Bereits acht Wochen nach seiner Ernennung kam er bei einem Zusammenstoß mit sowjetischen Lastwagen am 16. Juni 1945 in Friedrichsfelde ums Leben. Die Legende besagte lange, es sei Mord durch den NKWD gewesen.

Er war in diesen wenigen Wochen der einzige Stadtkommandant von Groß-Berlin, denn die Amerikaner, Briten und Franzosen rückten erst Anfang Juli und August in ihre Sektoren ein. In den Antragsbegründungen von SPD und Grünen wird unterstrichen, dass sich Bersarin "vorbildlich" für das Überleben und die Belange der Bevölkerung eingesetzt habe. Hoch angesehene Männer der ersten Stunde werden als Kronzeugen genannt - der spätere Bundesminister Ernst Lemmer (CDU), der evangelische Bischof Otto Dibelius und Propst Heinrich Grüber. Dibelius und Grüber wurden später selbst Ehrenbürger im Westen.

"Bersarins Wirken ging weit über die Pflichten eines kommunistischen Stadtkommandanten hinaus. Er zeichnete sich durch humanistische und weltanschauliche Toleranz aus und war geprägt von einem hohen persönlichen Engagement für das geistige und kulturelle Leben der Stadt", heißt es im Antrag der SPD. Aus den Erinnerungen von Lemmer wird zitiert: "Generaloberst Bersarin schien nichts wichtiger zu sein, als Berlin wieder lebensfähig zu machen." Bersarin hatte sogar die Schulräte angewiesen: "Vor allem will ich, dass Sie die Kinder zur Ehrfurcht vor Gott erziehen." Die ersten Theater spielten bereits im Sommer wieder.

Der CDU-Kulturpolitiker Uwe Lehmann-Brauns reagiert sehr zurückhaltend auf den Vorstoß von Grünen und SPD. Man müsse das mal im CDU-Fraktionsvorstand besprechen: "Ich bin in der Sache noch nicht überzeugt. Er war kein Unmensch, aber doch ein Sendbote Stalins. Die hatten ja anfangs alle Kreide gefressen." Für die Ehrung von Russen fallen Lehmann-Brauns hingerichtete Soldaten ein, "die beim 17. Juni 1953 nicht mitmachten". Oder Systemgegner wie Solschenizyn, Sacharow und Kopelew.

Der Regierende Bürgermeister sieht nach Angaben von Senatssprecher Butz keine Veranlassung, von der damaligen Entscheidung abzurücken. Die Senatskanzlei befand 1992: "Eingedenk der Opfer der Berlin-Blockade, des 17. Juni 1953 und der Mauer verbietet sich die Übernahme in die Gesamtliste". Ausnahmen bildeten "kulturelle und wissenschaftliche" Verdienste "jenseits politischer Systemunterschiede". Geblieben ist der Bersarin-Platz in Friedrichshain. Diepgen wollte 1995 die Auseinandersetzungen über die Umbenennung von Straßen in Ost-Berlin nicht auf die Spitze treiben.

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