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Vor dem Start. Im Bahnhof Gesundbrunnen begann die Rekordfahrt. Von dort starten auch sonst die Regionalzüge nach Stettin, die allerdings rund zwei Stunden für die Strecke brauchen. Nur der Sonderzug der SPD war schneller.

© Andreas Schwarz

SPD will Bahn-Verbindung ausbauen: Ohne Halt von Berlin nach Stettin

Im Sonderzug legten SPD-Delegierte die Strecke von Berlin ins polnische Stettin in der Rekordzeit von 89 Minuten zurück – und fordern nun den Ausbau. Doch der Weg dahin ist noch weit.

Die SPD liegt wieder vorn. Nein, nicht in Umfragen, aber beim Bahnfahren. Am Freitag hat die Partei einen Rekord aufgestellt: In 89 Minuten hat ein Zug mit Sozialdemokraten an Bord von Berlin-Gesundbrunnen aus den Hauptbahnhof in Stettin erreicht. So schnell ist auf dieser Strecke derzeit kein anderer Zug. Allerdings war der „Schnellzug“ auch ein Sonderzug, den die SPD gechartert hatte. Zusammen mit ihrer polnischen Schwesterpartei wollte die SPD zeigen, wie der Bahnverkehr zwischen den beiden Städten attraktiver werden könnte – wenn die Verbindung endlich ausgebaut werden würde. Nach derzeitigen Plänen soll es erst 2020 so weit sein.

Die Strecke ist nur knapp 140 Kilometer lang; die Züge im Regionalverkehr sind heute aber um die zwei Stunden unterwegs. Vor dem Krieg brauchten die Dampflokomotiven eine halbe Stunde weniger. Und meist müssen die Fahrgäste in Angermünde derzeit auch noch umsteigen; direkte Verbindungen gibt es je Richtung nur zweimal am Tag, freitags sind es seit diesem Monat immerhin drei.

Rekordzeit dank Non-Stop-Verbindung

Der SPD-Sonderzug schaffte seinen Rekord aber auch nur, weil es unterwegs keinen Halt gab. Unter dieser Prämisse hatten die Experten der Bahn sogar eine Fahrzeit von 88 Minuten berechnet. Dass daraus eine Minute mehr wurde, liegt an den unterschiedlichen Zugsicherungssystemen in Deutschland und Polen. Kurz nach Passieren der Grenze wurde der Zug durch die Technik zwangsgebremst, weil er nicht auf das polnische System eingestellt war. Dazu hätte er halten müssen, was man ja vermeiden wollte. So gingen zwei Minuten verloren.

Aber was sind schon zwei Minuten bei einer Fahrzeit von sonst rund zwei Stunden. Der Ehrgeiz ist viel größer: 68 Minuten wolle man schaffen, sagte SPD-Landeschef Jan Stöß, der wie Verkehrsstaatssekretär Christian Gaebler im Rekordzug saß. „Aus der Pionierfahrt soll Alltag werden“, wünschte sich Stöß.

Der Weg ist noch weit. Die Strecke ist zwar – bis auf einen rund 40 Kilometer langen Abschnitt zwischen Passow und Szczecin Gumience – zweigleisig und auch elektrifiziert. Doch bei Passow gibt es einen rund zehn Kilometer langen Abschnitt auf einer Moorlinse, wo der Boden nachgegeben hat. Hier ist nur noch Tempo 50 möglich, sonst können die Züge auf 120 km/h beschleunigen

Aufwändige Damm-Arbeiten erforderlich

Der Damm muss wahrscheinlich neu gebaut werden. Und dazu wird die Strecke voraussichtlich mehr als ein Jahr gesperrt. Nach Angaben der Bahn muss sie den Damm abtragen, neu gründen und wieder an der alten Stelle aufbauen. Einfach daneben einen neuen zu bauen, lasse der Naturschutz nicht zu. Immerhin muss der Damm nicht verbreitert werden, der Platz für das zweite Gleis ist noch vorhanden. Es war nach dem Zweiten Weltkrieg abgebaut worden.

Eine Folge des Krieges mit den neuen Grenzen sind auch die unterschiedlichen Oberleitungssysteme in Deutschland und Polen. Überlegungen, beim Schließen der Elektrifizierungslücke den deutschen Wechselstrom bis in den Hauptbahnhof von Stettin zu schicken, sind auf polnischer Seite verworfen worden. So müssen später sogenannte Zweisystemlokomotiven oder -triebwagen eingesetzt werden, die auch den Gleichstrom in der Oberleitung in Polen vertragen. Solche Zweisystemlösungen sind allerdings teuer, aber gängige Praxis.

Vertrag zum Streckenausbau schon 2005 ausgehandelt

Und auch Alltag sollten sie schon längst sein. Bereits 2005 war ein Vertrag zum Ausbau der Strecke ausgehandelt, unterschrieben wurde er aber erst 2012. Politiker auf beiden Seiten hatten ihn ausgebremst. Jetzt ist man sich jedoch einig, dass es vorangehen soll. Nicht nur mit dem Sonderzug. Immerhin passieren nach Angaben des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg (VBB) werktags etwa 600 Fahrgäste die Grenze, am Wochenende sind es sogar über 900.

Ach ja, ein bisschen Werbung für die Partei war der „Europa-Sonderzug“ auch. Die Spitzenkandidatin der SPD für die Europawahl, Sylvia-Yvonne Kaufmann, war ebenso dabei wie ihr polnischer Kollege Boguslaw Liberadzki. Kein schlechtes Zeichen, denn die EU soll den Ausbau der Strecke schließlich mitfinanzieren.

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